Die Coronakrise trifft viele Beschäftigte hart. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, in deren Mitgliedsgewerkschaften sechs Millionen Beschäftigte organisiert sind, fordert weitere Maßnahmen, um die Folgen der Krise für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abzufedern. Wir haben die wichtigsten Forderungen zusammengestellt.
1. Was fordert der DGB für Kündigungsschutzverfahren?
Wer eine Kündigungsschutzklage erheben will, muss das innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung machen. Ist der Arbeitnehmer daran trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zumutbaren Sorgfalt verhindert, kann das Gericht die Klage auf Antrag nachträglich zulassen. Der Arbeitnehmer muss dann glaubhaft machen, dass er verhindert war. Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.
Die Möglichkeit, eine verspätete Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, gibt es aber nur, wenn der Arbeitnehmer selbst gehindert ist. Die Vorschrift greift nicht, wenn ein Prozessbevollmächtigter die Klage aufgrund eines Hindernisses nicht rechtzeitig erheben konnte.
Der DGB fordert den Gesetzgeber auf, die Vorschrift so zu ändern, dass sie auch für den Prozessbevollmächtigten gilt. Es soll auch die Vorschrift vorübergehend nicht gelten, nach der der Kläger die nachträgliche Zulassung innerhalb von zwei Wochen beantragen muss. Zudem will der DGB, dass der Arbeitnehmer für die Zeit der Pandemie nicht mehr glaubhaft machen muss, dass er gehindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben.
Alternativ fordert der DGB, dass die Drei-Wochen-Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage erst nach Beendigung der Pandemie-Maßnahmen (etwa ab dem 1. November2020) beginnt, wenn die Kündigung zwischen dem 01. März2020 und dem 30. September 2020 zugeht.
Denkbar wäre auch, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die Frist durch Krankheit des Arbeitnehmers oder des Prozessvertreters oder infolge von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht eingehalten werden konnte.
Hierzu auch unsere Artikel:
„DGB fordert, während der Pandemie den Umgang mit Fristen im Arbeits- und Sozialrecht anzupassen“
"Corona: DGB fordert bessere Absicherung für Beschäftigten"
2. Was sollte sich ändern, wenn im Sozialrecht eine Frist versäumt wurde?
Im Sozialrecht gibt es die Möglichkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, wenn eine Frist für den Widerspruch oder die Klage versäumt wurde. Hierzu muss man dem Gericht glaubhaft machen, dass man keine Schuld am verspäteten Einlegen eines Rechtsmittels hat, die Frist also trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht einhalten konnte.
Hinsichtlich der Wiedereinsetzung fordert der DGB, dass es befristet bis zum 31. Dezember 2020 die gesetzliche Vermutung gibt, dass der Antragsteller keine Schuld am Versäumen der Frist hat.
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3. Sollte während der Pandemie für mehr als drei Monate Insolvenzgeld geleistet werden?
Insolvenzgeld wird aktuell nur für die drei Monate des Arbeitsverhältnisses geleistet, die der Insolvenz vorausgegangen sind.
Diese Frist soll für den Zeitraum vom 1. März2020 bis 30. September2020 auf sieben Monate verlängert werden. Zudem soll die Bundesregierung ermächtigt werden, diesen Zeitraum längstens bis zum 31. Dezember 2020 zu verlängern.
4. Sollte Arbeitslosengeld auch gezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer noch im Arbeitsverhältnis steht?
Arbeitslosengeld kann nur erhalten, wer beschäftigungslos ist. Wer einen Arbeitsvertrag hat, ist deshalb nicht beschäftigungslos.
In der Zeit vom 1.April 2020 bis zum 31. Dezember2020 soll gemäß dem Vorschlag des DGB das Arbeitslosengeld, ohne dass Beschäftigungslosigkeit eingetreten ist, auch für die Zeit geleistet werden, in der Arbeitgeber wegen der Pandemie Arbeitsentgelt nicht gezahlt hat.
5. Sollte die Zeit verlängert werden, für die Arbeitslose Arbeitslosengeld bekommen?
Der DGB fordert, dass die Anspruchsdauer bei Arbeitslosengeld I sich im Zeitraum vom 1. April.2020 bis 31. Dezember 2020 um Zeiten pandemiebedingter Arbeitslosigkeit verlängert.
6. Soll das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden?
Der DGB fordert, das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des Nettoentgeltes aufzustocken.
Ausführlich unser Artikel
„Gewerkschaften fordern soziale Verantwortung: Kurzarbeitergeld aufstocken“
7. Reicht die Entschädigung nach § 56 Infektionsschutzgesetz aus? (Verdienstausfallentschädigung)
Der DGB ist der Auffassung, dass zwingend die Dauer verlängert werden muss. Bisher sieht die Regelung vor, dass Eltern, die Kinder, die noch nicht zwölf Jahre alt sind, wegen der Schließung von Kitas und Schulen versorgen müssen, eine Verdienstausfallentschädigung von 67 Prozent ihres ausgefallenen Nettoeinkommens für bis zu sechs Wochen erhalten. Zudem fordert der DGB:
- Die Entschädigungshöhe von 67 Prozent des ausgefallenen Nettoverdienstes auf mindestens 80 Prozent anzuheben, ohne monatliche Deckelung des Verdienstes.
- Der Kreis der Berechtigten ist um Eltern von Kindern, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, zu erweitern.
- Ausdrücklich klarzustellen, dass der Erholungsurlaub des laufenden Kalenderjahres nicht verbraucht werden muss, bevor ein Anspruch auf Entschädigung entsteht.
- Die zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten sind auf die Personen im selben Haushalt zu begrenzen.
- Eltern im Home-Office können nur dann als Betreuung gelten, wenn das zu betreuende Kind zumindest das 10. Lebensjahr erreicht hat.
- Der Bezug der Verdienstausfallentschädigung darf sich nicht auf die Berechnung des Elterngeldes auswirken
Entsprechende Verdienstausfallregelungen sind zudem notwendig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:
- die als pflegende Angehörige von der Schließung von Tagespflege- und Betreuungseinrichtungen betroffen sind;
- die aufgrund der behördlich angeordneten Schließung ihrer Betriebe von ihren Arbeitgebern nicht mehr beschäftigt werden, aber keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn oder Kurzarbeitergeld haben;
- die als Grenzgänger die aufgrund der Beschränkungen am Wohnort an der Ausübung ihrer Arbeit in Deutschland gehindert sind.
Hierzu unseren Artikel
„Eltern können bei Kita- und Schulschließung Entschädigung erhalten“
8. Sollen Unfälle im Home-Office als Arbeitsunfälle anerkannt werden?
Der DGB ist der Auffassung, dass es unbedingt erforderlich ist, Arbeitsunfallversicherungsschutzes bei Arbeit im Homeoffice zu gewähren. Er fordert, dass in der Zeit vom 18. März2020 bis 30.September 2020 die Vermutung gilt, dass Unfälle im Homeoffice Arbeitsunfälle sind.
Die Unfallversicherungsträger sollen bei eindeutigen Fällen von Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten vorübergehend, beispielsweise für einen Zeitraum von zwölf Monaten, eine Rente für die Versicherten gewähren.
9. Was soll gelten, wenn sich Beschäftigte während ihrer Tätigkeit mit dem Corona-Virus anstecken?
Der DGB fordert, dass die Unfallversicherungsträger alle Corona-Infektionen von Beschäftigten in systemrelevanten Berufen ohne Prüfung als Arbeitsunfall anerkennen.
Systemrelevant sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere ernsthafte Folgen eintreten.
Das betrifft also etwa Beschäftigte im Gesundheitssektor, Verkäufer*innen, Feuerwehrleute; Rettungsassistent*innen, Arbeitnehmer*innen, die für Wasser und Strom sorgen und viele mehr.