Auszubildende sind genau wie Arbeitnehmer*innen stark beeinträchtigt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Viele Regeln, die für Arbeitsverhältnisse gelten, müssen auch Azubis beachten. Es gibt aber auch eine Reihe von Besonderheiten.
1. Können Auszubildende auch im Homeoffice arbeiten?
Das geht grundsätzlich nicht. Das Berufsbildungsgesetz verpflichtet den Ausbilder selbst auszubilden oder eine Ausbilder*in ausdrücklich mit der Ausbildung zu beauftragen. Homeoffice wäre für Sie theoretisch denkbar, wenn ein Ausbilder mit Ihnen nach Hause kommt und Sie dort persönlich ausbildet. Das ist praktisch kaum durchzuführen.
Während der Corona-Pandemie kann aber ausnahmsweise ein Teil der Ausbildung zu Hause durchgeführt werden, auch ohne, dass ein/e Ausbilder*in körperlich anwesend ist, wenn es etwa um das Vertiefen von bereits erworbenen Ausbildungsinhalten geht. Voraussetzung ist, dass sie/er die technischen Mittel dafür zur Verfügung stellt.
Die/der Ausbilder*in muss die aber die Ausbildungsschritte ständig überprüfen. Der Ausbildungsnachweis muss weiterhin geführt werden.
2. Gilt Kurzarbeit auch für Auszubildende?
Nein, Auszubildende sind keine Arbeitnehmer*innen. Sie haben mit dem Unternehmen einen Ausbildungsvertrag und keinen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, sie auszubilden (§ 14 Absatz 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz – BBiG). Das gilt auch, wenn im ganzen Betrieb Kurzarbeit „Null“ angeordnet ist.
Der Arbeitgeber muss Ausbilder*innen zur Verfügung stellen, die auch während der Kurzarbeit dafür sorgen, dass alle Azubis ihre Ausbildung erhalten. Der Arbeitgeber muss zudem die Ausbildungsvergütung weiterzahlen. Kurzarbeitergeld bekommen Azubis nicht.
Wenn es dem Arbeitgeber trotz aller Bemühungen nicht gelingt, während der Kurzarbeit die Ausbildung zu gewährleisten, darf er den Azubi nach Hause schicken. Die Ausbildungsvergütung muss er trotzdem mindestens sechs Wochen lang weiterzahlen (§19 BBiG). Im Ausbildungsvertrag oder in einem Tarifvertrag kann geregelt sein, dass die Ausbildungsvergütung auch länger weiter zu zahlen ist.
Wenn nach Ablauf der sechs Wochen im Betrieb immer noch kurzgearbeitet wird und Sie keine Ausbildungsvergütung mehr erhalten, haben Sie nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Allerdings geht Ihr Recht vor, innerhalb der vereinbarten Zeit ausgebildet zu werden. Wenn die Kurzarbeit über sechs Wochen andauert, hat der Arbeitgeber die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Sie weiter ausgebildet werden, eventuell auch in einem anderen Unternehmen.
3. Darf mein Arbeitgeber (Ausbilder) mich gegen meinen Willen in den Urlaub schicken, weil er mich vorübergehend nicht ausbilden kann?
Wenn Ihr Ausbildungsbetrieb wegen Corona vorübergehend schließt, müssen Sie aus diesem Grund keinen Urlaub nehmen. Sie müssen auch keine Überstunden abbauen oder gar Minusstunden ansammeln.
4. Mein Betrieb wird für längere Zeit wegen der Pandemie geschlossen sein und möglicherweise gar nicht mehr weiterarbeiten. Was passiert mit meinem Ausbildungsverhältnis?
Ihr Arbeitgeber trägt das Risiko dafür, dass Ihnen innerhalb der vorgesehenen Zeit alle Ausbildungsinhalte vermittelt werden. Sie haben einen Anspruch darauf, dass Sie nach der vereinbarten Zeit dazu in die Lage versetzt worden sind, die Abschlussprüfung zu bestehen.
Kann Ihr Ausbildungsbetrieb das wegen Corona nicht gewährleisten, ist er verpflichtet, zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) bzw. der Handwerkskammer und der Arbeitsagentur, sich rechtzeitig um einen anderen Ausbildungsbetrieb für Sie zu bemühen.
Macht der Arbeitgeber das nicht, kann er zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, , der Ihnen dadurch entsteht.
Ein Tipp: Vermerken Sie auf jeden Fall in Ihrem Berichtsheft alle Ausbildungsinhalte, die Ihnen im Ausbildungsbetrieb nicht vermittelt worden sind.
5. Was ist, wenn das Gesundheitsamt meinen Ausbildungsbetrieb unter Quarantäne gestellt hat und er deshalb geschlossen ist?
Als Auszubildender bekommen Sie auf jeden Fall Ihre Ausbildungsvergütung für sechs Wochen weitergezahlt (§ 19 Berufsbildungsgesetz – BBiG).
Wenn Sie als Träger von Krankheitserreger gelten, haben Sie daneben einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz. Sie bekommen bis zu sechs Wochen lang Ihre Ausbildungsvergütung vom Arbeitgeber gezahlt und danach gegebenenfalls eine Entschädigung direkt von der Behörde in Höhe der Ausbildungsvergütung.
6. Muss ich in den Ausbildungsbetrieb, wenn die Berufsschule ausfällt?
Sie müssen stets in den Betrieb, wenn der Unterricht ausfällt, unabhängig davon, ob Sie regelmäßig an einzelnen Wochentagen zur Berufsschule müssen oder Blockunterricht haben. Gemäß § 15 Berufsbildungsgesetz (BBiG) muss Ihr Ausbildungsbetrieb Sie nur freistellen, wenn der Unterricht tatsächlich stattfindet.
Während der Corona-Pandemie bieten viele Berufsschulen Online-Kurse an. Auch das ist Berufsschulunterricht, für den Sie der Ausbildungsbetrieb freistellen muss.
7. Ich habe ein kleines Kind zu versorgen, das wegen Schul- oder Kitaschließung derzeit nicht betreut ist. Darf ich zu Hause bleiben, um das Kind zu betreuen?
Grundsätzlich gilt hier wie bei Arbeitnehmer*innen, dass Sie zunächst alle Anstrengungen unternehmen müssen, damit Ihr Kind anderweitig betreut wird. Das wird während der Kontaktsperre aber kaum möglich sein.
Wenn Sie aus Gründen, die in Ihrer Person liegen, ohne Schuld nicht dazu in der Lage sind, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen, muss Ihnen der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen lang die Ausbildungsvergütung weiterzahlen (§ 19 BBiG). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Allerdings sollten Sie die Situation unbedingt mit Ihrem Ausbilder besprechen. Vielleicht finden sich pragmatische Lösungen.
8. Mein Ausbildungsverhältnis endet demnächst. Was passiert, wenn ich bis dahin meine Prüfung noch nicht ablegen konnte?
Ihr Ausbildungsverhältnis endet zur vereinbarten Zeit, auch wenn Sie noch keine Prüfung abgelegt haben. Wenn Sie aber weiter ausgebildet werden möchten, können Sie bei der Industrie- und Handelskammer oder bei der Handwerkskammer die Verlängerung der Ausbildung bis zur nächsten Abschlussprüfung beantragen, höchstens aber um ein Jahr (§ 21 Absatz 3 Berufsbildungsgesetz – BBiG).
9. Ist es möglich, dass ich nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werde, weil ich wegen Corona viele Fehlzeiten habe?
Grundsätzlich kann es sein, dass Sie wegen zu hoher Fehlzeiten nicht zur Abschlussprüfung zugelassen werden. § 43 Berufsbildungsgesetz – BBiG- schreibt unter anderem vor, dass zur Prüfung zuzulassen ist, wer die Ausbildungsdauer zurückgelegt hat. Berücksichtigt werden auch die Fehlzeiten.
Es gilt die Faustregel, dass die Ausbildungszeit nicht zurückgelegt hat, wer -entschuldigt oder unentschuldigt- 10 Prozent der Ausbildungszeit gefehlt hat, wobei der Urlaub nicht mitgerechnet wird. Das sind bei einer dreijährigen Ausbildung etwa 13 bis 15 Wochen.