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Veranstaltung des DGB Rechtsschutzes

Hans-Böckler-Forum 2015 in Berlin – Flexible Entgeltformen

Zu Beginn des Forums “Flexible Entgeltformen“ referierte Prof. Dr. Thomas Breisig von der Universität Oldenburg über Formen, Zwecke und Wirkungen der Flexibilisierung des Arbeitsentgelts aus ökonomischer und psychologischer Perspektive.

Eine Flexibilisierung des Arbeitsentgeltes verlange stets die Bewertung der Leistung des Arbeitnehmers. Die Arbeitsleistung sei jedoch häufig nur schwer zu bewerten. In manchen Fällen könne die Leistung durch eine konkrete Messung oder durch das Zählen produzierter Teile ermittelt werden. Häufig erfolge jedoch die Bewertung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers aufgrund der subjektiven Beurteilung durch einen Vorgesetzten.

Von Arbeitgebern gewählte flexible Entgeltsysteme dienten häufig der Leistungssteuerung. Der Arbeitgeber gewähre dem Arbeitnehmer eine leistungsorientierte Vergütung oder er treffe mit ihm zu Beginn einer zeitlichen Periode Zielvereinbarungen, wobei diese Zielvereinbarungen in der Praxis häufig vom Arbeitgeber vorgegeben würden und vom Arbeitnehmer nur geringfügig beeinflussbar seien.

Einem Arbeitnehmer müssten Ziele gesetzt werden, die er auch erreichen kann. Unrealistische Ziele riefen beim Arbeitnehmer Frustration hervor. Viel zu selten äußere der Arbeitgeber seine Wertschätzung über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Oftmals sei für den Arbeitnehmer die vom Vorgesetzten oder vom Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung seiner Arbeitsleistung wichtiger als eine Bonuszahlung.

Individualrechtliche Fragen der Flexibilisierung des Arbeitsentgelts

Waldemar Reinfelder, Richter am BAG, befasste sich mit den individualrechtlichen Fragen der Flexibilisierung des Arbeitsentgelts. Regelungen in Arbeitsverträgen über ein flexibles Arbeitsentgelt stellten AGB-Regelungen dar. Vom Arbeitgeber gewählte Klauseln können für den Arbeitnehmer überraschend nach § 315 c Abs. 1 BGB sein oder an der Unklarheitenregelung des § 315 c Abs. 2 BGB scheitern. In beiden Fällen sei eine derartige AGB-Regelung unwirksam und werde nicht Vertragsbestandteil.

Weiterhin habe der Arbeitgeber die Möglichkeit, sich den Widerruf oder die Änderung einer Vergütungsregelung vorzubehalten. Hier laufe er aber Gefahr, an der Bestimmung des § 308 Nr. 4 BGB zu scheitern, wonach in AGBs eine Vereinbarung unwirksam ist, bei der sich der Arbeitgeber die Änderung oder Abweichung von der versprochenen Leistung vorbehält, es sei denn eine solche Vereinbarung ist für den Arbeitnehmer zumutbar. Als wirksame Vereinbarung nannte Richter Reinfelder eine Vertragsbestimmung, wonach der widerrufliche Teil des Arbeitsentgeltes 25 % des Gesamtverdienstes nicht überschreite.  Auch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers sei wirksam, wenn dieser sich vorbehalte, einen dem Arbeitnehmer zu zahlenden Bonus jedes Jahr nach billigem Ermessen festzusetzen.

Mit den klassischen Freiwilligkeitsvorbehalten sei aus Arbeitgebersicht höchste Vorsicht geboten. Diese seien in der Praxis häufig unwirksam, da bei auslegungsbedürftigen Klauseln das Gericht im Zweifel immer die für den Arbeitnehmer belastendste Auslegungsvariante kontrolliere. Klar formulierte Freiwilligkeitsvorbehalte könnten natürlich das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern. Eine gängige Formulierung sei: „Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Zahlungen aus.“

Bisweilen wähle der Arbeitgeber auch Stichtagsklauseln für die Fälligkeit der Vergütung. Maßgeblich sei, ob die Leistung auch Vergütungscharakter hat. In diesem Fall seien außerhalb des Bezugszeitraums liegende Stichtage unzulässig. Arbeitsentgelt, das beispielsweise erst am 31.03. des Folgejahres ausgezahlt werde, stehe dem Arbeitnehmer zu, wenn es Vergütungscharakter für das abgelaufene Kalenderjahr hat und der Arbeitnehmer vor dem 31.03. des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Kollektivrechtliche Fragen der Flexibilisierung des Arbeitsentgelts

Frau Prof. Dr. Martina Benecke von der Universität Augsburg referierte sodann über kollektivrechtliche Fragen der Flexibilisierung des Arbeitsentgelts. Rechtliche Mittel seien hier der Abschluss von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen.

Hier seien selbstverständlich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beachten. Der Betriebsrat habe bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen. Der Arbeitgeber entscheide über das „Ob“ der Leistung, der Betriebsrat bestimme mit bei der Verteilung der Leistung (das „Wie“). Bei einer Kürzung der gewährten Leistung sei die sog. „Rasenmähermethode“, d. h. alle Arbeitnehmer bekommen prozentual gleichviel weniger, mitbestimmungsfrei. Will der Arbeitgeber bei der Kürzung einer gewährten Leistung jedoch differenzieren, bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Mitbestimmungsfrei sei die Befristung und Freiwilligkeit von Leistungen, die Einführung eines Widerrufsvorbehalts und die Einführung einer Stichtagsregelung. Mitbestimmungspflichtig sei dagegen die Geltendmachung des Widerrufs, die Verteilung frei gewordener finanzieller Mittel und die Schaffung von Provisionsregelungen (Boni).

Zur Kündigung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen über Entgeltregelungen führte Frau Prof. Benecke aus, dass die Kündigung einer solchen Betriebsvereinbarung nur dann zu einer Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG führe, wenn es sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit handele. Bei einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, die nicht der Mitbestimmung unterliege, gebe es somit keine Nachwirkung.

Im Anschluss an die Vorträge der drei Referenten entwickelte sich eine interessante Diskussion zwischen Betriebsräten als Teilnehmer der Podiumsdiskussion, dem Plenum und den Referenten.

Christoph Seidel, Nürnberg