Gericht kippt fehlerhafte Prognoseentscheidung! Copyright by popaye /Adobe Stock
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Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens für eine Beamtenstelle im mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei legte der Antragsteller einen ärztlichen Entlassungsbrief vor. Daraus ergab sich, dass der Bewerber an einer Laktose- und Fructoseunverträglichkeit leidet. Auf Grundlage der Polizeidienstvorschrift "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit" (PDV) schloss der Polizeiarzt die Polizeidiensttauglichkeit des Antragstellers aus. Danach seien schwerwiegende, chronische oder zu Rückfällen neigende Krankheiten der Verdauungsorgane als die Polizeidiensttauglichkeit ausschließende Merkmale festgelegt. Nach Ansicht des Polizeiarztes fallen auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Laktose- und Fructoseunverträglichkeit unter die PDV. Denn, so die Argumentation des Polizeiarztes,
bei der Unverträglichkeit des Bewerbers handele sich um eine Krankheit. Deshalb sei dem Bewerber eine ordnungsgemäße Durchführung des Polizeivollzugsdienstes  nicht möglich. Es seien negative Auswirkungen bei Einsätzen zu erwarten. Dies gelte insbesondere wenn der Antragsteller an Gemeinschaftsverpflegungen teilnehme. Mit dieser durch den Polizeiarzt "untermauerten" Begründung lehnte der Antragsgegner die Zulassung des Antragstellers zum Bewerbungsverfahren ab.
 

Unverträglichkeiten nicht ausdrücklich in den PDV geregelt

Im Eilverfahren des Bewerbers kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers keine für das angestrebte Amt ausreichende Prognoseentscheidung getroffen hat.
Eine solche Prognose habe den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze zu erfassen. Der Antragsgegner könne zwar im Rahmen seines ihm zustehenden Einschätzungsspielraums die körperlichen Anforderungen für die Bewerber des Polizeivollzugsdienstes festlegen. Die Unverträglichkeiten des Antragstellers seien jedoch nicht ausdrücklich in der zugrunde gelegten PDV geregelt.
 
Da der Antragsteller aktuell uneingeschränkt dienstfähig sei, sei dies in der erforderlichen Prognoseentscheidung zu berücksichtigen. Der Bewerber habe ärztliche Befunde vorgelegt, wonach er Lebensmittel wie Joghurt, Quark und Käse ohne Probleme vertrage. Ohne medikamentöse Behandlung habe er eine persönliche Toleranzschwelle für Fruktose und Lactose gefunden. Dieser Befundbericht sei geeignet, die Ausführungen des Polizeiarztes zu erschüttern. Da das Gericht die fehlerhafte Prognoseentscheidung mangels hinreichender Entscheidungsgrundlagen nicht ersetzen könne, sei der Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zum Auswahlverfahren für den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei zuzulassen.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. August 2019, Az

Das sagen wir dazu:

Dienstunfähig wegen Laktose- und Fructoseunverträglichkeit?

Aufgrund der dem Gericht vorgelegten ärztlichen Befundberichte kam dieses zu dem Ergebnis, dass der Bewerber für den polizeilichen Vollzugsdienst aktuell uneingeschränkt dienstfähig sei. Wie der Polizeiarzt dennoch zu dem Ergebnis kommen konnte, dass es sich bei der von dem Bewerber zu beklagenden Unverträglichkeit um eine Krankheit handelt, die ihm eine ordnungsgemäße Durchführung des Polizeivollzugsdienstes nicht möglich macht, ist nicht nachvollziehbar und mag dessen Geheimnis bleiben.