Rolle der Schwerbehindertenvertretung 

Die Bedeutung der Schwerbehindertenvertretung zeigt eine repräsentative Umfrage unter den Beschäftigten (Ver.di-Sonderauswertung der Repräsentativ-Umfrage zum DGB-Index Gute Arbeit, 2014). Danach ist der Anteil behindertengerechter Arbeitsplätze in Betrieben mit Schwerbehindertenvertretung (58%) signifikant höher als in solchen ohne Schwerbehindertenvertretung (42%). 

Da, wo behindertengerechte Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, haben behinderte Menschen größere berufliche Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Es wächst ihre Chance, trotz Einschränkungen im Betrieb verbleiben zu können. Es besteht außerdem eine höhere Arbeitszufriedenheit. Da es zu den gesetzlichen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung gehört zu überwachen, ob der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber schwerbehinderten Menschen erfüllt, verwundert es nicht, dass die Beschäftigungsbedingungen sich günstiger gestalten, wenn Schwerbehindertenvertretungen sich dafür einsetzen.

Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung 

Die Schwerbehindertenvertretung hat nach dem Schwerbehindertenrecht (im Sozialgesetzbuch 9 geregelt) darüber zu wachen, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen bestehenden gesetzlichen Regelungen durch den Arbeitgeber auch eingehalten werden. 

Neben der allgemeinen Verpflichtung, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern, muss sie konkret prüfen, ob der Arbeitgeber z. B. seiner Beschäftigungspflicht nachgekommen ist. Private und öffentliche Arbeitgeber sind ab einer bestimmten Größe verpflichtet, einen Teil ihrer Arbeits- und Ausbildungsplätze mit schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten Menschen zu besetzen. Dieser Verpflichtung unterliegen Unternehmen mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen. Diese sog. Pflichtquote beträgt 5% der Arbeitsplätze. Weiterhin muss die Schwerbehindertenvertretung bspw. überwachen, ob der Arbeitgeber im Einzelfall geprüft hat, ob ein Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, sie muss schließlich darüber wachen, dass behinderte Menschen nicht diskriminiert und betriebliche Arbeitsplätze bei Bedarf behindertengerecht umgestaltet werden. Die Schwerbehindertenvertretung kann auch selbst behindertengerechte Maßnahmen beantragen z. B. für einen barrierefreien Betrieb oder für eine behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes. Bei aus ihrer Sicht sachlich berechtigten Beschwerden schwerbehinderter Menschen sorgt sie für Abhilfe. Sie ist außerdem berechtigt, dem einzelnen Arbeitnehmer bei seinem Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter oder Gleichgestellter zu helfen.

Schwache Beteiligungsrechte

Im Gegensatz zu diesen vielfältigen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung und ihrer Bedeutung für die Eingliederung von Behinderten in den Arbeitsprozess, ist die Verpflichtung der Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertretungen an Entscheidungen zu beteiligen, gesetzlich vergleichsweise schwach ausgebildet. 

So stehen Schwerbehindertenvertretungen zwar umfassende Unterrichtungs- und Anhörungsrechte zu, wenn es um Angelegenheiten geht, die schwerbehinderte Beschäftigte betreffen. Echte Mitbestimmungsrechte erwachsen ihr dadurch jedoch nicht. Entscheidungen des Arbeitgebers, die sich über Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung hinwegsetzen oder ihre Beteiligungsrechte verletzen, bleiben nämlich dennoch wirksam. Wird die Schwerbehindertenvertretung nicht informiert oder wird ihr vor einer Entscheidung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, hat sie nur einen sog. Aussetzungsanspruch. Sie kann eine Aussetzung der Entscheidung und die Nachholung der Beteiligung binnen sieben Tagen verlangen. Diesen Anspruch kann sie auch im gerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen. Dies gilt jedoch nur, solange der Arbeitgeber die Entscheidung noch nicht umgesetzt hat. Ist die Maßnahme dagegen schon getroffen, kommt das Aussetzungsverlangen zu spät. Die Entscheidung bleibt trotz der Verletzung von Beteiligungsrechten wirksam. Ein Recht darauf, dass sie rückgängig gemacht wird, besteht nicht. 

Beispiel aus der Rechtsprechung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte vor wenigen Jahren über die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einem schwerbehinderten Menschen zu entscheiden. 

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist eine Angelegenheit, die schwerbehinderte Beschäftigte berührt; denn das Ausscheiden eines schwerbehinderten Menschen beeinflusst die Beschäftigungsquote. Die Schwerbehindertenvertretung hat also das Recht beteiligt zu werden. Nach Auffassung der obersten Arbeitsrichter stellt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages jedoch keine Entscheidung des Arbeitgebers dar, so dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, der Schwerbehindertenvertretung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er muss sie lediglich informieren. Die Arbeitsrichter meinen, dass die Unterrichtung nicht einmal notwendigerweise vor Abschluss des Vertrages erfolgen müsse. Wenn der Aufhebungsvertrag ohne nennenswerte Vorverhandlungen zustande gekommen sei, erfülle der Arbeitgeber vielmehr seine Unterrichtungspflicht auch dann, wenn die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Abschluss des Aufhebungsvertrages informiert werde. 


Di
eses Urteil ist nicht überzeugend. Vor allem ist die Auffassung abzulehnen, dass der Unterrichtungsanspruch der Schwerbehindertenvertretung auch noch nachträglich erfüllt werden kann. Damit ist jede Interessenwahrnehmung zu Gunsten eines schwerbehinderten Beschäftigten von vorneherein unmöglich. Wie soll die Schwerbehindertenvertretung überprüfen und ggf. verhindern, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer dem Aufhebungsvertrag nur zustimmt, weil er einem psychischen Druck ausgesetzt ist? Wie soll sie beurteilen können, ob möglicherweise die Aufhebungsvereinbarung nur darauf beruht, dass der Arbeitgeber es versäumt hat, den Arbeitsplatz behindertengerecht umzugestalten? Wird die Schwerbehindertenvertretung erst informiert, wenn der Vertrag abgeschlossen ist, kann sie sich nämlich nicht mehr dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen an die gesundheitlichen Einschränkungen des behinderten Beschäftigten angepasst werden. Ihr Einsatz zu Gunsten des schwerbehinderten Beschäftigten käme zu spät. 

Kritik und Stärkung der Beteiligung

Die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung sind also schwach ausgestaltet. Unterrichtungs-und Anhörungsrechte können oftmals nicht wirkungsvoll durchgesetzt werden. Dies kritisierten auch Sprecher von Arbeitskreisen der Schwerbehindertenvertretungen aus Wirtschaft und Verwaltung, die zusammen 300.000 schwerbehinderte Beschäftigte vertreten, bei einem Treffen in Köln am 6.6.2014 (sog. Kölner Erklärung). Auch sie monierten ihre mangelhafte Beteiligung, die bei Umsetzung einer geplanten Maßnahme regelmäßig leer läuft. Beteiligungsrechte sind daher nur gesichert, wenn eine unter Missachtung von Beteiligungsrechten ergangene Entscheidung des Arbeitgebers auch unwirksam ist. Ansonsten gleicht die Beteiligung der Fabel vom Hase und Igel. Sie kommt wie der Hase immer zu spät.

Auch der Koalitionsvertrag vom 17.12.2013 von CDU, CSU, SPD sieht eine Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen vor (S.110 des Koalitionsvertrages). Diese Absichtserklärung sollte sich daher bald auch in einer gesetzlichen Neuregelung mit wirkungsvollen Beteiligungsrechten widerspiegeln.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.3.2012, 7 ABR 67/10, können Sie hier nachlesen.