In AU- Bescheinigungen vermerkte Wiedervorstellungstermine beenden nicht die Arbeitsunfähigkeit.
In AU- Bescheinigungen vermerkte Wiedervorstellungstermine beenden nicht die Arbeitsunfähigkeit.

Vermerkt der behandelnde Arzt Arbeitsunfähigkeit (AU) "bis auf weiteres", gibt aber keinen Endzeitpunkt an, kann aus der gleichzeitigen Angabe eines Wiedervorstellungstermins nicht geschlossen werden, dass die Dauer der AU bis zu diesem Termin beschränkt sein soll. Über den Wiedervorstellungstermin hinaus kann in einem solchen Fall ein Krankengeldanspruch bestehen. Zu diesem Ergebnis kam das Landessozialgericht (LSG) Rheinland–Pfalz.

Krankenkasse zahlte nur bis zum Wiedervorstellungstermin


Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:Die Klägerin litt unter Wirbelsäulen- und Schulterbeschwerden. Der  behandelnde Arzt bescheinigte ihr im letzten Auszahlungsschein eine AU "bis auf weiteres". Zugleich war in dem Auszahlungsschein ein Wiedervorstellungstermin genannt.


Die beklagte Krankenkasse gewährte der Klägerin Krankengeld nur bis zum Wiedervorstellungstermin. Sie vertrat die Auffassung, dass eine über den Wiederherstellungstermin hinausgehende AU nicht gegeben sei. Die Klägerin erhob gegen den negativen Bescheid Widerspruch, der von der Beklagten zurückgewiesen wurde, nachdem sie zuvor eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) veranlasste. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Koblenz, welches der Klage stattgab. Gegen diese Entscheidung legte die beklagte Krankenkasse Berufung beim LSG Rheinland-Pfalz, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt war.

„Bis auf Weiteres“ ist kein Enddatum


Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht kam das LSG zu dem Ergebnis, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld für weitere zwei Monate hat. Denn, so das Berufungsgericht, aus der ärztlichen Feststellung der AU "bis auf weiteres", ergibt sich keine zeitliche Beschränkung der Bescheinigung. Aus der bloßen Angabe des Wiedervorstellungstermins könne auch nicht auf eine Begrenzung der Feststellung geschlossen werden.


Da sich im Rahmen der Beweisaufnahme ergeben hat, dass über den Wiedervorstellungstermin für zwei weitere Monate eine AU der Klägerin bestanden hat, kann sie auch für diese Zeit Krankengeldzahlungen verlangen.

Anmerkung: MDK – Unabhängig und fair?

 

Die Entscheidungen des SG und des LSG sind begrüßenswert. Hierdurch wird wieder einmal sehr deutlich, dass die Gutachten des MDK, derer sich die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in vielfältiger Weise bedienen, nicht selten Anlass geben, Zweifel an deren Ergebnis zu hegen.


Unter Berufung auf ein Gutachten des MDK verweigerte die beklagte Krankenkasse der Klägerin Krankengeldzahlungen über einen von dem behandelnden Arzt für notwendig erachteten Wiedervorstellungtermin bei attestierter weiterer AU. Da sich schon aus der AU-Bescheinigung ergab, dass bei der Klägerin „bis auf weiteres“ Arbeitsunfähigkeit besteht, stellt sich die Frage, warum die beklagte Krankenkasse überhaupt den MDK einschalten musste. Zu dem Ergebnis, zu dem nun das SG und das LSG kamen, hätte man auch leicht schon bei richtiger Auslegung der AU-Bescheinigung kommen können.


Die Hinzuziehung des MDK, der ja  von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird, lässt bei dem Autor die Vermutung aufkeimen, dass hier mit Unterstützung eines von der beklagten Krankenkasse in Auftrag gegebenen Gutachtens, deren schwer, bis gar nicht nachvollziehbare Auffassung „untermauert“ werden sollte. Diese bestand darin, dass sich aus der Bestimmung eines Wiedervorstellungstermin das Ende der AU an diesem Tag ergeben soll, obwohl die AU tatsächlich über diesen Tag hinaus besteht.


Wenn Krankenkassen Leistungen unter Berufung auf Gutachten des MDK verweigern, so empfiehlt es sich, hiergegen Widerspruch und ggfs. Klage zu erheben, wenn Bedenken gegen die Entscheidung der Krankenkasse bestehen Denn oftmals werden Gutachten des MDK nach Aktenlage erstellt. In seltenen Fällen erfolgt überhaupt eine Untersuchung der Personen über die ein Gutachten zu erstellen ist.


Diese Form der Begutachtung ist in vielen Fällen angreifbar und führt zum Erfolg für Krankenkassenmitglieder, denen Leistungen mit oft seltsam anmutenden Gründen verweigert werden. Da der MDK durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird, kann man sich bei manchen Entscheidungen nicht des Gefühls erwehren, dass diese finanzielle Abhängigkeit dazu führen kann, dass Gutachten zu Gunsten der Auftrag erteilenden Krankenkasse erstellt werden.


Wie gesagt, es ist nur ein Gefühl, dass sich immer wieder mal bei dem Autor während seiner langjährigen forensischen Tätigkeit bei Streitigkeiten mit Krankenkassen bemerkbar machte, womit auf keinen Fall gesagt werden soll: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“.


Wer mehr über die von beiden Seiten ins Feld geführte Unabhängigkeit des MDK von den gesetzlichen Krankenkassen erfahren möchte, dem ist die am 11.08.2014 in der ARD erschienene Reportage

 

„Im Zweifel gegen den Patienten?“

 


zu empfehlen, die bis 11.08.2015 unter nachstehendem Link abgerufen werden kann:


http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Exclusiv-im-Ersten-Im-Zweifel-gegen-den/Das-Erste/Video?documentId=22888698&bcastId=799280

 

Hier finden Sie vollständige Urteil des LSG Rheinland-Pfalz 16.4.2015, L 5 KR 254/14