Nach Ansicht des Sozialgerichts Aachen ist für die kurze Ausbildung zum Lokführer die komplette Weiterbildungsprämie zu zahlen. Copyright by neuhold.photography/Fotolia
Nach Ansicht des Sozialgerichts Aachen ist für die kurze Ausbildung zum Lokführer die komplette Weiterbildungsprämie zu zahlen. Copyright by neuhold.photography/Fotolia

Eine Holding aus privaten Eisenbahnunternehmen betreibt auch ein zertifiziertes Ausbildungszentrum. Dort werden für die Tochterunternehmen und in Kooperation mit den Arbeitsagenturen sowie der jobcom Düren Triebfahrzeugführer und Mitarbeiter im Eisenbahnbetriebsdienst aus und fortgebildet.
Bei Bestehen der Abschlussprüfung erfolgt dann eine Anstellung.

Jobcenter übernimmt Lehrgangskosten

Die Kooperation sah im Fall von Neumann so aus, dass er während des ca. 7-monatigen Lehrgangs seine Hartz-IV Bezüge weiter erhielt. Die Ausbildungskosten wurden vom Ausbildungszentrum der jobcom in Rechnung gestellt.

Gegen Ende der Ausbildung fiel Neumann eine Broschüre über eine Weiterbildungsprämie der Arbeitsagentur in die Hände. Er erkundigte sich telefonisch auf der Hotline der Arbeitsagentur, ob dies auch für die kurze Ausbildung zum Lokführer gelte. Ein klares „Ja“ erhielt er als Antwort.

Warum gibt es eine Weiterbildungsprämie?

Die Weiterbildungsprämie wurde im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung beschlossen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) belohnt mit ihr alle Umschüler, die erfolgreich eine mit Bildungsgutschein geförderte Umschulungsmaßnahme absolvieren.
Der Gesetzgeber wollte Anreize für gering qualifizierte Arbeitnehmer schaffen, sich erfolgreich weiterzubilden, um dann dauerhaft aus dem Leistungsbezug auszuscheiden. Die Prämie ist also unter anderem ein Anreiz zum Durchhalten einer Maßnahme.

Voraussetzung für die Weiterbildungsprämie

Gem. § 131a Abs. 3 SGB III müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Förderung nach § 81 SGB III (Bildungsgutschein)
  • Abschluss in einem Ausbildungsberuf für den nach bundes-oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens 2 Jahren festgelegt ist
  • Die Maßnahme muss vor dem 31.12.2020 beginnen

 

1.000 € für Zwischenprüfung, 1.500 € für die Abschlussprüfung

Die Weiterbildungsprämie setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Für das erfolgreiche Bestehen einer Zwischenprüfung gibt es 1.000 €. Grundsätzlich gelten alle Zwischenprüfungen, die von der zuständigen Kammer (wie der IHK, HWK oder StBK) abgenommen werden und zudem der Ausbildungsordnung ihrer Umschulung entsprechen. Wird die Abschlussprüfung gepackt, gibt es zusätzlich 1.500€.

Neumann hat seine Ausbildung erfolgreich beendet und bestand seine Abschlussprüfung zum Triebfahrzeugführer. Seine Maßnahme war mit dem Bildungsgutschein nach § 81 SGB III gefördert.

Sein Antrag wurde abgelehnt, der Widerspruch zurückgewiesen.

Ausbildung als Eisenbahner oder nur Führerschein?

Die Behörde begründete ihre Ansicht damit, evtl. Auskünfte der Agentur für Arbeit seien für Sie nicht bindend. Neumann habe sieben Monate eine Maßnahme durchlaufen, also nicht mehr als zwei Jahre „gelernt“ und außerdem nur einen „Führerschein“ erworben, nicht aber eine Ausbildung als Eisenbahner erhalten.

Neumann hat aber in der, wenn auch kurzen Ausbildung, nicht nur das Steuern einer Lok gelernt. Er hat Kenntnisse im Betriebsdienst /Bremsprobeberechtigter/Zugsicherungssysteme/Grundlagen Diesel-Triebfahrzeuge/Baureihenausbildung LINT 54 etc. durch eine schriftliche Abschlussprüfung nachweisen müssen.

Das Eisenbahnbundesamt hat ihm dann einen Führerschein als Triebfahrzeugführer Klasse B erteilt.
Unstreitig dauert die Eisenbahnerausbildung - Eisenbahner im Betriebsdienst der Fachrichtung Lokführer und Transport- drei Jahre.

Tatsächliche Maßnahme muss nicht mehr als 2 Jahre dauern

Man kennt das auch in anderen Bereichen, dass kurze Umschulungen durchlaufen werden und letztlich die gleiche Berufsqualifikation erworben wird, wie bei der normalen 3jährigen Ausbildung.
Die Auffassung, die Maßnahme selbst müsse mehr als 2 Jahre dauern, ist unzutreffend.

Davon ging auch das Sozialgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 11.12.2018 aus (Az. S 4 AL 1712/18).
Im dortigen Fall war Bildungsziel: Kauffrau Büromanagement. Im Verfahren war wegen der nur wenige Monate dauernden sehr kurzen Ausbildung nur streitig, ob bei der vorliegenden gestreckten Abschlussprüfung auch die Zwischenprüfungsprämie zu zahlen ist. Die 1.500 € für die Abschlussprüfung hatte die Klägerin erhalten. Die Prüfung hatte sich über mehrere Monate mit zwei schriftlichen Prüfungen und einer mündlichen Prüfung hingezogen. Bei einer solchen gestreckten Abschlussprüfung ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung der erste Teil mit einer Zwischenprüfung gleichzusetzen. Die dortige Klägerin erhielt also zusätzlich die 1.000 €.

Sozialgericht empfahl der Behörde die Prämie komplett zu gewähren

Das Sozialgericht Aachen ließ sich im Termin den Triebfahrzeugführerschein zeigen.
Dieser gilt nicht nur für bestimmte Züge. Neumann erläuterte, dass auch jeder, der die Ausbildung bei der Bahn durchlaufen hat, in einem neuen Unternehmen oder bei neuen Strecken, sog. Streckenkunde nachweisen muss, bevor er eingesetzt wird. Auch dies unterschied sich also nicht von seiner jetzigen Ausgangsposition.
Nach der Maßnahme erhielt Neumann einen Arbeitsvertrag als Eisenbahnfahrzeugführer. Tariflich werden die Personen, die bei der Bahn die dreijährige Ausbildung gemacht haben, genauso eingruppiert.

Nach Ansicht des Sozialgerichts lagen die Voraussetzungen für die Gewährung der kompletten Prämie im Fall von Neumann vor. Der Behörde wurde empfohlen, die Prämie zu zahlen. Dazu konnte sich die Behörde nicht durchdringen, auch da bisher keine gerichtlichen Entscheidungen zu diesem Punkt vorlagen.

Sozialgericht verurteilte Jobcenter 2.500 € zu zahlen

Dann die Überraschung: Als ca. einen Monat nach dem Termin das Urteil zugestellt wurde, hatte die Behörde zwischenzeitlich auf Rechtsmittel verzichtet. Daraufhin musste das Gericht das Urteil weder begründen noch den Tatbestand darstellen.

Fazit:
Im Termin war noch von Berufungsverfahren die Rede. Scheute man jetzt die Veröffentlichung der Begründung des Gerichts, auf die sicher einige aus den Maßnahmen gerne zurückgegriffen hätten? Auch Neumann findet es schade, dass sein erfolgreicher Rechtsstreit von anderen nicht so gut verwertet werden kann, als wenn die Begründung des Urteils vorgelegen hätte.


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