Die Bundesagentur für Arbeit hat einem gelernten Mauerer, der zuvor in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand, zu Unrecht die Zahlung von Arbeitslosengeld (ALG I) im Anschluss an eine darauffolgende befristete Beschäftigung verweigert. Das Sozialgericht (SG) hob mit Entscheidung vom 17. Februar 2016 die gegen den Kläger verhängte Sperrzeit auf.
Der Kläger war als Maurer bei einem ca. 50 km von seinem Wohnort entfernten Arbeitgeber in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis tätig. Diese Beschäftigung kündigte er und arbeitete anschließend in einem Betrieb in der Nähe seines Wohnortes. Dieses Arbeitsverhältnis war auf zunächst 2 Monate befristet gewesen. Nach Ablauf der Befristung meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Bundesagentur für Arbeit verhängt zwölfwöchige Sperrzeit

Die Bundesagentur für Arbeit stellte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen fest und verweigerte für diese Zeit die Zahlung von ALG I. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger ein unbefristetes Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und damit bewusst seine Arbeitslosigkeit im Anschluss an das Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses herbeigeführt habe.

Kläger klagt gegen Sperrzeitentscheidung

Da der Kläger die Sperrzeitentscheidung für unzulässig hielt erhob er Klage und begründete diese damit, dass er die unbefristete Arbeitsstelle aufgegeben habe, um in der Nähe seines Wohnortes arbeiten zu können, wodurch er in erheblichem Umfang Fahrtkosten einsparen konnte. Im Übrigen habe sein früherer Arbeitgeber auch nicht nach Tarif gezahlt. Lohnzahlungen seien nicht pünktlich erfolgt.

Sozialgericht: An der Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger ein berechtigtes Interesse – Sperrzeit zu Unrecht erfolgt!

Das SG Speyer folgte der Begründung des Klägers und gab der Klage statt. Die Bundesagentur für Arbeit habe zu Unrecht den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt und die Zahlung von Arbeitslosengeld verweigert. Denn, so die Richter*innen der 1. Kammer des SG Speyer, der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Lösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses gehabt. Bei einem Wechsel aus einem unbefristeten in ein befristetes Arbeitsverhältnis trete eine Sperrzeit im Anschluss an die befristete Beschäftigung nur ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden könne. Biete das befristete Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer deutlich attraktivere Arbeitsbedingungen sei es gerechtfertigt das unbefristete Arbeitsverhältnis zu Gunsten eines befristeten zu lösen.

Überwiegendes Interesse des Klägers an einem Wechsel von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in einen befristeten Vertrag

Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Durch die Aufnahme des befristeten Arbeitsverhältnisses habe der Kläger seinen Anfahrtsweg zur Arbeit und damit die Höhe der Fahrtkosten drastisch verkürzen können. Dies habe, so das SG Speyer, indirekt zu einem nicht nur geringfügig höheren Nettoarbeitsentgelt geführt. Überdies habe der Arbeitgeber des befristeten Arbeitsverhältnisses auch einen um ca. 20 % höheren Stundenlohn gezahlt. Damit waren die Arbeitsbedingungen in dem befristeten Arbeitsverhältnis deutlich attraktiver als in dem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis. Im Ergebnis überwiege das Interesse des Klägers an einem Wechsel im Verhältnis zu dem von der Beklagten schützenwert erschienen Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Fortführung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Anmerkung:

Immer wieder lösen Entscheidungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Erstaunen beim Autor aus.

„Schützer der Versichertengemeinschaft“?

In dem vorliegenden Fall hielten es die „Schützer der Versichertengemeinschaft“ für zumutbar, den Kläger weiterhin einer Tätigkeit nachgehen zu lassen, in dem er eine untertarifliche Vergütung erhielt und ihm arbeitstäglich Fahrtkosten in erheblichem Umfang entstanden.
Nicht pünktliche Lohnzahlungen waren für die zuständige Agentur für Arbeit auch kein Grund von einer zwölfwöchigen Sperrzeit Abstand zu nehmen.

Was also, so muss man sich fragen, soll Arbeitnehmer*innen noch alles zugemutet werden um nicht mit Sperrzeiten überzogen zu werden? 

Die Entscheidung des SG Speyer zeigt einmal mehr, dass Arbeitslose Bescheide der Agenturen für Arbeit überprüfen lassen und nicht widerspruchslos hinnehmen sollten.

Fragwürdiger Bescheid der Agentur für Arbeit? Überprüfung durch Gewerkschaft!

Für Gewerkschaftsmitglieder ist die erste Anlaufstelle die Gewerkschaft deren Mitglied sie sind ist. Wenn Chancen bestehen gegen Sperrzeiten, oder auch andere von den Agenturen für Arbeit fraglich erscheinende Entscheidungen, vorzugehen, dann stehen nach erfolgter Rechtsschutzerteilung durch die Gewerkschaft, die Juristen*innen der DGB Rechtsschutz GmbH an der Seite der Betroffenen.

Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung des Sozialgerichts Speyer zum Urteil vom 17.02.2016.