Strafanzeige gegen Arbeitnehmer ohne Anhörung unzulässig (Bildquellenangabe: Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de)
Strafanzeige gegen Arbeitnehmer ohne Anhörung unzulässig (Bildquellenangabe: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de)

Der mit einer Strafanzeige der Arbeitgeberin überzogene Kläger war bei dem beklagten Werttransportunternehmen als Fahrer beschäftigt. Da er vermutete, von einem Kunden einen falschen Geldschein erhalten zu haben, übergab er diesen Geldschein der Polizei, die die Echtheit überprüfte. Nachdem er den Geldschein zurückerhalten hatte,  gab er diesen in einer Filiale der Arbeitgeberin ab. Der Erhalt des Geldscheins wurde jedoch nicht quittiert. 

Arbeitgeberin erstattet Strafanzeige

Später fragte der Kunde nach dem Verbleib des Geldscheins. Da die Arbeitgeberin den Vorgang nicht nachvollziehen konnte, erstattete sie Strafanzeige gegen den zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen diesen zu dem Vorgang zu befragen.

Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte nach Aufklärung des Sachverhalts das Ermittlungsverfahren ein. Da der Arbeitnehmer einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt hatte, verlangte er von der Arbeitgeberin die Erstattung der ihm durch die anwaltliche Vertretung entstandenen Kosten. Nachdem eine außergerichtliche Einigung mit seiner früheren Arbeitgeberin nicht zustande kam, erhob er Klage beim Arbeitsgericht, Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt.

Besondere Fürsorgepflicht im Arbeitsverhältnis

Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vertrat auch das Arbeitsgericht Köln die grundsätzliche Auffassung, dass jemand, der gutgläubig eine Strafanzeige erstattet, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs belegt werden darf, wenn sich der Verdacht später nicht bestätigt. Dieser Grundsatz, den das BVerfG 1985 aufgestellt hat, gelte, so die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln, im Arbeitsverhältnis allerdings nicht uneingeschränkt.

Da im Arbeitsverhältnis besondere Fürsorgepflichten bestünden, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen darf, müssen Arbeitgeber leicht vermeidbare Strafanzeigen gegen ihre Arbeitnehmer unterlassen. 

Die Beklagte hätte unschwer den Kläger vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise ggf. aufklären müssen. Da dies unstreitig nicht geschehen war, hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Anwaltskosten.

Das Arbeitsgericht hat die Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Köln zugelassen.

Anmerkung: Whistleblowing andersrum

Setzt man den vom Arbeitsgericht Köln entschiedenen Fällen in Bezug zu den Whistleblowing-Fällen, so ist die Entscheidung begrüßenswert und konsequent.

Bei Whistleblowing – Fällen verlangt die Rechtsprechung von dem Arbeitnehmer, der Kenntnis von Missständen und /oder von Gesetzesverletzungen erlangt hat, dass er zunächst den Versuch einer internen Klärung unternimmt, bevor er seine Erkenntnisse außerhalb des Betriebs bekannt macht.

Wenn von Arbeitnehmern derartiges verlangt wird, so gilt Gleiches auch für den Arbeitgeber. Wenn dieser also nicht einmal den Versuch unternimmt, den Arbeitnehmer zu dem Vorgang zu befragen und ihn gleich mit einer Strafanzeige überzieht, so ist es mehr als Recht, wenn der überzogen handelnde Arbeitgeber dem Kläger die Anwaltskosten zu erstatten hat, die diesem notwendigerweise im Rahmen seiner Vertretung in der Strafanzeigensache entstanden sind.

Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob die beklagte Arbeitgeberin die Entscheidung des Arbeitsgericht Köln akzeptiert oder das Rechtsmittel der Berufung beim LAG Köln einlegt.
 

Zu hoffen ist im Falle der Berufungseinlegung, dass das LAG Köln sich der gut begründeten Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts anschließt und sich nicht die grundsätzliche Auffassung des BVerfG seit Mitte der Achtziger Jahre zu eigen macht, wonach derjenige, „der gutgläubig eine Strafanzeige erstattet, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs belegt werden darf, wenn sich der Verdacht später nicht bestätigt“. 

Denn die Arbeitgeberin, die das Arbeitsgericht Köln zur Zahlung der dem Kläger entstandenen Anwaltskosten verurteilt hat,  erstattete nicht etwa gutgläubig, sondern in eher bösartiger Absicht die völlig überflüssige Strafanzeige. Selbst wenn sie nur einer nicht wohl überlegten rechtlichen Beratung aufgesessen sein sollte,  muss sie sich diese zurechnen lassen. 


DOWNLOAD:

Pressemitteilung 8/2014 vom 18.12.2014 des Arbeitsgericht Köln.