Silke Clasvorbeck, Online-Redakteurin, Bielefeld
Silke Clasvorbeck, Online-Redakteurin, Bielefeld

Der IG Metall Vorstand hat die Tarifverträge zum Branchenzuschlag abgeschlossen mit dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) sowie der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ). Räumlich gilt der Tarifvertrag für die gesamte Bundesrepublik und fachlich für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des BAP und des iGZ. Persönlich gilt der Tarifvertrag für alle Beschäftigten, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Kundenbetriebe in der Metall- und Elektroindustrie überlassen werden.

Branchenzuschlag richtet sich nach Einsatzdauer

Der Branchenzuschlag beträgt entsprechend der Einsatzdauer in einem Kundenbetrieb einen Prozentsatz des Stundentabellenentgelts der Entgelttarifverträge Zeitarbeit, also  zwischen dem BZA bzw. der IGZ und dem DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit. 

Die Prozentwerte sind in der Metall- und Elektroindustrie:

  • 15 % nach der sechsten Woche,
  • 20 % nach dem dritten Monat,
  • 30 % nach dem fünften Monat,
  • 45 % nach dem siebten Monat und
  • 50 % nach dem neunten Monat.

Der Branchenzuschlag ist damit deutlich höher als die einsatzbezogenen Zulagen, die die Entgelttarifverträge von iGZ und BZA vorsehen. Er fängt an bei 1,28 € in der Entgeltgruppe 1 und der Einsatzdauer von 6 Wochen und ist gestaffelt bis zu einem Betrag von 9,45 € in der Entgeltgruppe 9 nach 9 Monaten Einsatz.

Hier ist darauf zu achten, dass die Branchenzuschläge keineswegs nur für die tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden zu zahlen sind, sondern für alle Stunden und auch für den jeweiligen Monat auszuzahlen sind. Oft erfolgt eine Abrechnung zunächst nur für 35 Stunden und die restlichen Stunden gehen in ein Zeitkonto. Hier besteht die Gefahr, dass das Zeitkonto später ohne die Zuschläge ausbezahlt wird, die richtige Abrechnung des Branchenzuschlags noch schwer nachvollziehbar ist und die Forderungen auch verfallen sein könnten.

Unterbrechungen von unter drei Monaten unbeachtlich

Der Branchenzuschlag setzt einen ununterbrochenen Einsatz voraus. Dabei sind Unterbrechungszeiten von weniger als drei Monaten unbeachtlich. Dies gilt auch für Feiertage, Urlaub und Arbeitsunfähigkeitstage. Die Einsatzdauer verlängert sich auch bei Unterbrechungen wegen bezahltem Urlaub, Krankheit oder Feiertagen. Unterbrechungen wegen Einsatz in einem anderen Betrieb von unter drei Monaten sind auch unbeachtlich für die Frage der Unterbrechung, wirken sich aber auf die Einsatzdauer aus. Hier steckt Potenzial für rechtliche Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, wie lange ein unterbrochener Einsatz gedauert hat, nach welchem Prozentsatz also der Branchenzuschlag gezahlt werden muss. 

Verdienst eines Stammarbeitnehmers als Obergrenze

Der Branchenzuschlag ist begrenzt auf den regelmäßigen Stundenlohn eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebes. Es findet also dann eine Deckelung des Branchenzuschlags statt, wenn sonst der Leiharbeiter mehr verdienen würde als der Stammarbeitnehmer. 

Erfreulich ist hier die Regelung im Tarifvertrag, dass der Kundenbetrieb das regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers nachzuweisen hat. Dies stellt eine Erleichterung zu den Verfahren dar, in denen ein Anspruch auf Equal Pay durchgesetzt werden sollte und die Gerichte vom Arbeitnehmer verlangt haben, die Entlohnung vergleichbarer Arbeitnehmer darzulegen. Zudem reicht es nicht, wenn der Verleiher im gerichtlichen Verfahren eine erforderliche Deckelung einwendet. Der Entleiher muss sich schon zuvor darauf berufen haben.

Branchenzuschlag ist nicht verrechenbar

Die Regelung ist besonders wichtig, bietet aber auch Raum für Rechtsstreitigkeiten. Es heißt, der Branchenzuschlag ist nicht verrechenbar mit sonstigen Leistungen jedweder Art. Er ist – so geht die Regelung weiter – jedoch anrechenbar auf gezahlte übertarifliche Leistungen. Der Auslegung der IGM zum Tarifvertrag Branchenzuschlag ist zu entnehmen, dass es auf den Zweck der Leistung ankommt. Entsprechen die übertariflichen Leistungen in ihrem Zweck dem Branchenzuschlag, handelt es sich als um eine höhere Stundenvergütung, ist eine Verrechnung rechtens. Anderen Zwecken dienende Zulagen und Zuschläge wie etwa Erschwerniszuschläge oder Zuschläge für Nachtarbeit sind nicht anrechenbar. 

Branchenzuschlag auch bei Urlaub und Krankheit

Der Branchenzuschlag ist Teil des festen tariflichen Entgelts bzw. Teil der Grundvergütung. 

Hier liegt der entscheidende Unterschied zu der einsatzbezogenen Zulage, die in der Zeitarbeit gezahlt werden. Diese ist nur für tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden geleistet worden, Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Feiertagen erfolgte nur auf Basis der Grundvergütung. Dies war auch in Verfahren des DGB Rechtsschutz häufig Grund für arbeitsgerichtliche Verfahren. Nun ist klar geregelt, dass der Branchenzuschlag Teil des festen tariflichen Entgelts ist und auch für die Berechnung der Vergütung bei Urlaub oder Krankheit zu berücksichtigen ist.

Die einsatzbezogenen Zulagen können nicht mehr beansprucht werden, wenn ein Branchenzuschlag bezahlt wird. 

Die Arbeitsgerichte sind gefordert

Auch wenn die tariflichen Regelungen zum Branchenzuschlag gut und soweit klar sind, entstehen in der Praxis Probleme bei der Abrechnung. Unsere Erfahrung ist bisher, dass die Arbeitsrichter oft keine so rechte Meinung zum Thema haben. Da es häufig zu Klagen kommt, wenn ein Arbeitsverhältnis zu Ende ist, haben die Kläger*innen oft kein großes Interesse an einem langen Rechtsstreit, wenn ein guter Vergleich geschlossen werden kann. Das ist verständlich, wir als Prozessvertreter wünschen uns aber, dass der ein oder andere Fall abschließend gerichtlich geklärt werden kann, damit Klarheit entsteht. 

Rechtsprechung zum Branchenzuschlag in der Metall- und Elektroindustrie

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat sich Ende des letzten Jahres mit der Problematik der Deckelung und der Darlegungslast des Vergleichsentgelts auseinandergesetzt. Der Verleiher kann sich danach nicht allein auf die Auskunft des Verleihers berufen, sondern muss zur Geltendmachung der Deckelung alle für die Berechnung des Vergleichsentgelts erforderlichen Tatsachen vortragen. Die Arbeitsgerichte Osnabrück und Oldenburg hatten dies zuvor anders entschieden.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat sich zudem dazu geäußert, wann ein Kundenbetrieb der Metall- und Elektroindustrie zuzuordnen ist. Es komme vorrangig darauf an, ob der Betrieb einem der dort genannten Wirtschaftszweige zuzuordnen ist. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages komme es auf die im Kundenbetrieb angewandten Tarifverträge an. Es sei weder erforderlich noch ausreichend, dass im Kundenbetrieb die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung kommen. Darauf sei lediglich im Zweifelsfall hinsichtlich der Einordnung des Kundenbetriebes abzustellen.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat sich als bisher erstes zweitinstanzliches Gericht mit dem Thema Branchenzuschlag in der Metall- und Elektroindustrie beschäftigt. In der Entscheidung geht es um die Beschränkung durch Entgelt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers. Der Branchenzuschlag ist beschränkt auf die Differenz zum Stundenentgelt eines vergleichbaren Beschäftigten des Kundenbetriebs. Gibt es mehrere vergleichbare Beschäftigte, so sei für den Vergleich das Entgelt des Stammarbeitnehmers mit der niedrigsten Vergütung maßgebend.

Es findet sich Rechtsprechung zur Deckelung und deren Darlegungslast, nicht aber zum Umgang mit Unterbrechungen oder zur Frage was mit dem Branchenzuschlag verrechnet werden kann.

Beispiele aus der Praxis

In einem Verfahren des DGB Rechtsschutz hatte der Kläger zunächst eine übertarifliche Zulage erhalten und dann nach Dauer des Einsatzes von 6 Wochen den Branchenzuschlag. Das Zeitarbeitsunternehmen hatte nach Zahlung des Branchenzuschlages die Zahlung der übertariflichen Zulage eingestellt. Das Arbeitsgericht Bielefeld äußerte im Gütetermin deutlich seine Meinung, dass es sich bei der außertariflichen Zulage um eine anrechenbare übertarifliche Leistung nach dem Tarifvertrag Branchenzuschlag handelt. Eine Entscheidung gibt es hier noch nicht.

In einem anderen von uns geführten Verfahren hatte das Zeitarbeitsunternehmen bei Krankheit den Branchenzuschlag nicht weiter gezahlt. Grundsätzlich ist klar, dass der Branchenzuschlag als fester Bestandteil des tariflichen Entgelts auch bei Krankheit weiter gezahlt werden muss. Hier lag die Problematik vor, dass der Kläger länger krank war und auch absehbar war, dass er bis auf weiteres – hier sogar bis zum Auslauf des befristeten Arbeitsverhältnisses – nicht wieder einsatzfähig sein wird. Das hatte er seinem Arbeitgeber auch so mitgeteilt. Das Unternehmen berief sich darauf, dass der Kläger deswegen beim Kundenbetrieb abgemeldet, der Einsatz also beendet wurde. Auch hier ist es nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung gekommen, da ein Vergleich geschlossen werden konnte, der ¾ der Forderung erfasste und der Kläger damit sehr zufrieden war. Das Gericht sah das Vorgehen des Unternehmens kritisch, äußerte aber keine klare Auffassung zu der Rechtsfrage. Unserer Ansicht nach darf es auf keinen Fall darauf ankommen, ob der Leiharbeiter wegen Krankheit beim Kundenbetrieb abgemeldet wird. Denn wenn es darauf ankäme, ob der Einsatz beendet wird, so würde dies den Arbeitgebern in der Zeitarbeit Tür und Tor dafür öffnen, die Regelung des Branchenzuschlags als festen Lohnbestandteil zu unterlaufen. 

 

Silke Clasvorbeck - Online-Redakteurin - Bielefeld

⇒ Hinweis:

Tarifverträge zu Branchenzuschlägen sind von der IG Metall auch für die Bereiche Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie und die Textil- und Bekleidungsindustrie abgeschlossen worden. Die Regelungen sind hier gleich, die Branchenzuschläge sind in der Höhe in den beiden Branchen aber niedriger als in der Metall- und Elektroindustrie.

⇒ Tipp:

Bei Streitigkeiten zum Thema Branchenzuschlag empfehlen sich die Hinweise zur Auslegung der Tarifverträge Branchenzuschläge des IG Metall Vorstandes. Diese sind umfassend und mit Beispielen verständlich erklärt.

 

Zum Download: