Erfreuliche Grundsatzentscheidung zum Streikrecht. Copyright fotolia/karepa
Erfreuliche Grundsatzentscheidung zum Streikrecht. Copyright fotolia/karepa

Die Fa. Amazon betreibt in einem außerörtlich gelegenen Gewerbegebiet ein

Versand- und Logistikzentrum. Zu dem von ihr gepachteten Gelände gehören ein

Betriebsgebäude, das über einen zentralen Eingang zugänglich ist, und ein ca.

28.000 qm großer Parkplatz, welcher zur Nutzung für die überwiegend mit dem Auto

zur Arbeit kommenden Mitarbeiter bestimmt ist. 

Im September 2015 wurde Amazon an zwei Tagen bestreikt. Die streikführende Gewerkschaft ver.di baute an beiden Tagen auf dem Amazon-Parkplatz vor dem Haupteingang Stehtische und Tonnen auf und postierte dort ihre Vertreter*innen sowie streikende Arbeitnehmer*innen. Diese verteilten Flyer und forderten die zur Arbeit erscheinenden Arbeitnehmer*innen zur Teilnahme am Streik auf. Zu  Zugangsbehinderungen kam es nicht. Zu einem weiteren eintägigen Streik kam es im März 2016 in gleicher Weise.

Amazon klagt auf künftige Unterlassung 

Mit ihrer Klage hat Amazon die künftige Unterlassung solcher Aktionen

verlangt. Erstinstanzlich obsiegte Amazon. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und wies die Klage ab.

Die gegen die Entscheidung des LAG gerichtete Revision blieb vor

dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. 

Kurzzeitige Beeinträchtigungen des Firmenbesitzes sind hinzunehmen  

Im konkreten Fall, so das BAG, ergebe die Abwägung widerstreitender grundrechtlicher Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite, dass die Arbeitgeberin eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung ihres Besitzes hinzunehmen hat. Im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse könne die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen, auf Arbeitswillige einzuwirken.

 

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2018.

Das sagen wir dazu:

Begrüßenswerte Entscheidung!

Zum heutigen Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nach dem Streiks auf oder vor dem Firmengelände zulässig sind, sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Dienstag in Berlin:

„Heute ist ein guter Tag für die Beschäftigten und für ihr Grundrecht auf Streik. Mit dieser Entscheidung ist nicht nur für Amazon, sondern auch für andere Unternehmen die Lage geklärt: Das Hausrecht der Arbeitgeber reicht nicht so weit, dass damit das Streikrecht ausgehöhlt werden kann. Dass vor dem Werkstor gestreikt oder zum Streik aufgerufen wird, ist so alt und selbstverständlich wie das Streikrecht selbst – und wurde bislang von der großen Mehrheit der Unternehmen nicht in Frage gestellt.

Dass diese Klarstellung ausgerechnet durch die Klage von Amazon herbeigeführt wurde, ist nicht verwunderlich, aber besonders erfreulich. Denn das Unternehmen ist nicht nur Marktführer in Sachen Versandhandel, sondern nimmt auch eine Spitzenposition bei der anhaltenden Verletzung von individuellen und kollektiven Arbeitnehmerrechten ein. So fortschrittlich Amazon in technischen Fragen ist, so antiquiert bleibt dort das Verständnis von Arbeitsbeziehungen. Es ist längst überfällig, dass Amazon nicht nur das Grundrecht auf Streik akzeptiert, sondern endlich mit der Gewerkschaft in Verhandlungen über einen Tarifvertrag tritt. Die Arbeits- und Vergütungsbedingungen, unter denen Amazon-Beschäftigte seit Jahren arbeiten, sind inakzeptabel.“