Unter Datum vom 07. Mai 2014 hatte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg mit der auf den ersten Blick simpel erscheinenden Frage zu befassen, ob betriebsbedingte Kündigungen dann möglich sind wenn freie Arbeitsplätze im Betrieb bestehen.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (BAG) führte das LAG in seiner Entscheidung zunächst aus, dass sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, gegebenenfalls zu geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 -). Spricht der Arbeitgeber ohne vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen sofort eine Beendigungskündigung aus, so das LAG, ist diese Kündigung regelmäßig sozialwidrig (BAG 21. April 2005- 2 AZR 132/04).

Als frei sind nach der Rechtsprechung Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt sind oder bei denen im Kündigungszeitpunkt absehbar ist, dass sie zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen werden (BAG 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 -). Der Arbeitgeber kann sich zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten, durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/09 -).

LAG betritt „Neuland“

Die vorstehend wieder gegebene Auffassung des LAG entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung und stellt, zumindest für Arbeitsrechtler*innen keine Besonderheit dar. Im vorliegenden Fall betrat das LAG sodann aber „Neuland“, in dem es ausführte:

Die Möglichkeit einer (weiteren) sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einer anderen, sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmerin bei einem für mehrere Arbeitnehmer im Rahmen der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG zur Verfügung stehenden freien Arbeitsplatzes rechtfertigt es nicht, dem sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, den freien Arbeitsplatz vor Ausspruch einer Beendigungskündigung nicht anzubieten bzw. keine Änderungskündigung aussprechen zu müssen.

Die gegenüber einer seit 2008 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehenden Klägerin 

ausgesprochene ordentliche Beendigungskündigung zum 31.01.2013 wurde für unwirksam erklärt, da der Arbeitgeber ihr nicht eine ab  01.01.2013, zunächst auf 1 Jahr befristete Stelle anbot, die sie aufgrund ihrer Qualifikation hätte versehen können. Besetzt wurde die Stelle durch eine Mitarbeiterin die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen hatte, also ersichtlich weniger sozial schutzwürdig als die ältere und länger beschäftigte Klägerin war.

Revision zugelassen

Das LAG hat die Revision für die Beklagte zugelassen, nachdem die Frage, ob eine Änderungskündigung auf einen vom Arbeitgeber zunächst nur befristet eingerichteten Arbeitsplatz vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu erfolgen hat oder nicht und es sich insoweit um einen freien Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG handelt oder nicht, eine solche von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Anmerkung:

Die Frage, ob unbefristet Beschäftigten vor Ausspruch einer Beendigungskündigung, dann eine Änderungskündigung auszusprechen ist, wenn es gilt eine (zunächst) befristete Stelle zu besetzen, ist bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt. Man darf gespannt sein, ob das BAG der Auffassung des LAG Baden-Württemberg folgt, was durchaus denkbar ist. Betriebsräte die im Rahmen von Beendigungskündigungen nach § 102 BetrVG angehört werden, sollten dann einer Beendigungskündigung widersprechen, wenn zumutbare (zunächst) befristete Arbeitsplätze in dem Betrieb vorhanden sind.

Hans-Martin Wischnath – Onlineredakteur -  Frankfurt/Main

 

Das Urteil im Volltext hier: