Vor drei Jahren probte die bosnische Prevent-Gruppe den Aufstand gegen den Automobilriesen VW. Mit einem Lieferstopp versuchte der Zulieferer bessere Konditionen herauszuschlagen. Scheinbar mit Erfolg. VW bekam Produktionsprobleme; die Werke in Wolfsburg und Emden lagen tagelang lahm. Notgedrungen ließ sich VW auf eine Einigung mit Prevent ein, um den Lieferboykott zu beenden.
 

Das Imperium schlägt zurück

Doch wie nicht anders zu erwarten war, kam es zum Rückschlag: Zwei Jahre brauchte VW, um andere Zulieferer zu finden. Dann kündigte der Autobauer die Vertragsbeziehungen zu Prevent. Zu Recht, wie Gerichte befanden.
 
Prevent hatte den gnadenlosen Wirtschaftskrieg verloren. Und auch seinen Hauptkunden. Ausbaden müssen dies, wie fast immer, die Arbeiter.
 

300 Kündigungen in Hagen

Für das Hagener Werk, in dem unter anderem Metallrahmen für Autositze produziert werden, bedeutete dies: Zirka 300 Arbeitnehmer*innen erhielten Ende Januar die Kündigung. Begründung: Wegen des Verlustes des VW-Auftrags, der nicht hat aufgefangen werden können, sei nicht mehr genügend Arbeit für alle vorhanden.
 
Ergebnis langer Verhandlungen mit dem Betriebsrat war letztlich nur eine Transfergesellschaft, in die zirka 60 Gekündigte wechselten. Den meisten Betroffenen war diese aber nicht lukrativ genug.
 

Keine Einigung über Interessenausgleich und Sozialplan

Ein Interessenausgleich kam trotz intensiver Verhandlungen in einer gerichtlich eingesetzten Einigungsstelle nicht zustande. Und auch auf einen Sozialplan konnten sich die Betriebsparteien nicht einigen. Dafür sei kein Geld da, ließ TWB - gestützt auf mehrere Wirtschaftsgutachten - verlauten; man kämpfe ums Überleben.
Per Einigungsstellenspruch gab es dann doch einen Sozialplan. Der sieht jedoch keinerlei Abfindungszahlungen an die Gekündigten vor. Das gerichtliche Anfechtungsverfahren läuft.
 

Massenklagen vor dem Arbeitsgericht Hagen

Ohne jegliche Abfindung wollten die teilweise langjährig Beschäftigten ihren Arbeitsplatz aber doch nicht verlassen. Knapp 200 Arbeiter klagten vor dem Arbeitsgericht Hagen gegen die Kündigungen, viele mit Unterstützung der IG Metall und vertreten durch das Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH.
 
Im Juli verkündeten die Arbeitsrichter die ersten Urteile: Die Kündigungen sind unwirksam. Prevent TWB hatte das Gericht nicht davon überzeugen können, dass vor Ausspruch der Massenkündigungen der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden war.
 

Keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung

Zwar habe es umfangreiche Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat gegeben, so die Hagener Arbeitsrichter. Diese Verhandlungen hatten sich über Monate hingezogen. Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmervertretung dabei auch sämtliche erforderliche Informationen gegeben und auch stets seine Kündigungsabsicht dargelegt. Nur wann konkret im Rahmen dieser Verhandlungen die Anhörung zur Kündigung nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz eingeleitet worden war, war für das Gericht nicht erkennbar.
Ein formelles Schreiben hierzu vom Arbeitgeber gab es nämlich nicht. Und auch aus den Umständen heraus konnte der Betriebsrat nicht erkennen, wann genau im Rahmen der mehrmonatigen Verhandlungen Prevent dazu übergegangen war, die Kündigungsabsicht konkret umzusetzen.
Für den Betriebsrat hätte aber, so das Arbeitsgericht schließlich, dies genau erkennbar sein müssen, damit er seine Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz sachgerecht ausüben konnte.
 

Mehr als hundert Kündigungen sind unwirksam

Eine Kündigung nach der anderen wird vom Arbeitsgericht Hagen für unwirksam erklärt.
An ihren Arbeitsplatz können die Metaller aber trotz gewonnener Kündigungsschutzklage vorerst nicht zurück. Das Arbeitsgericht hat Prevent nämlich nicht zur vorübergehenden Weiterbeschäftigung verurteilt. Dies würde angesichts der tatsächlichen und auch nachgewiesenen Umsatzeinbußen zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung für den Automobilzulieferer führen. Mangels tatsächlicher Beschäftigungsmöglichkeit sei jede Weiterbeschäftigung wirtschaftlich sinnlos.
 

Prevent kündigt Berufung an

Das letzte Wort ist aber längst noch nicht gesprochen. Prevent TWB gibt sich noch nicht geschlagen. Noch im Gerichtssaal kündigte die Firmenanwältin eine Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm an.
 
Und auch eine neue Kündigung aller schon von der ersten Kündigungswelle Betroffener wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Denn: Genügend Arbeit gibt es bei TWB wohl wirklich nicht mehr nach dem Verlust des VW-Auftrages.
Wie schon gesagt: Ausbaden müssen es die Arbeiter.
 
 
LINKS:
Eines der Urteile (Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 16.7.2019, 4 Ca 425/19) können Sie hier nachlesen
 
Weitere Artikel über hemmungslose Arbeitgeber finden Sie hier:
 
Der Arbeitgeberdreikampf  -Kündigung  - Abfindung - Schikane
Union Busting  - wir wehren uns
Investigative Journalisten legen Methode-Naujoks offen

Das sagen wir dazu:

Wir erleben es nach der Dura-Schließung (Dura holt zum nächsten Schlag aus) nun schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit: Arbeitgeber führen Betriebsänderungen mit umfangreichen Entlassungen durch, zahlen aber nicht einmal eine Abfindung, da dafür kein Geld vorhanden ist.

Es kann in beiden Fällen davon ausgegangen werden, dass dies keine Schutzbehauptungen sind. Eingeholte Gutachten von Wirtschaftsprüfern deuten darauf hin: Geld ist wirklich nicht (mehr) da. Jedenfalls nicht mehr bei der kündigenden Arbeitgeberin. Und das, obwohl die Arbeiter über Jahre hinweg gute Arbeit geleistet haben. Mit Überstunden, kurzfristig anberaumter Wochenendarbeit und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Gewinne hat Prevent in den letzten Jahren allemal erzielt.

Gewinne legal verschieben, damit kein Geld für Abfindungen da ist?

Aber das kapitalistische Wirtschaftssystem ermöglicht es insbesondere in Zeiten der Globalisierung nicht nur, Gewinne zu erzielen, ohne nennenswerte Steuern zu zahlen (siehe Amazon oder Facebook). Mit Hilfe unüberschaubarer Firmengeflechte ist es auch möglich, vollkommen legal die Gewinne zu verschieben.

Die Folge: Eine bewusst herbeigeführte Armut, um sich, ohne auch nur den Rest von Anstand, jeglicher sozialer Verantwortung entziehen zu können. Folge: Kündigungen ohne Sozialplan und ohne Abfindung.

Unsere Politiker sind dringend gefordert, diesem verantwortungs- und hemmungslosen Treiben Einhalt zu gebieten.