Die erste und zweite Instanz (Arbeitsgericht Hagen und Landesarbeitsgericht Hamm) werteten das hohe Lebensalter des Klägers bei der Sozialauswahl zu dessen Gunsten. 

Die betrieblichen Gründe für die Kündigung hatten die Richter deshalb nicht weiter beleuchtet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah den durch Altersrente gut versorgten Kläger jedoch als sozial wenig schützenswert an als die Kollegen, die noch auf ein Einkommen angewiesen sind. Es verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht, damit dort aufgeklärt wird, ob - wie vom Arbeitgeber behauptet - ein Arbeitsplatz weggefallen ist.  

Dringendes betriebliches Erfordernis bejaht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm kam nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Arbeit beim Arbeitgeberverband zurückgegangen sei und man dort mit einem juristischen Mitarbeiter weniger auskomme. 

Die unternehmerische Entscheidung des Verbandes, die rechtliche Beratung und Vertretung der Mitgliedsunternehmen in Zukunft fünf statt sechs Juristen stemmen zu lassen, sei nicht zu beanstanden und eine entsprechende Prognose gerechtfertigt.  

Da das LAG auch sonstige Unwirksamkeitsgründe verneinte, war diesmal der Arbeitgeberverband mit seiner Berufung erfolgreich. Die Richter erklärten die streitige Kündigung aus Mai 2014 (!) für sozial gerechtfertigt und rechtswirksam.

Langes Verfahren noch immer nicht beendet

Seit der Kündigung sind nun bald 4 Jahre vergangen und der Jurist konnte schon seinen 70. Geburtstag feiern. Vorbei ist die Sache aber noch immer nicht. Zwar hat das LAG die Berufung zum BAG nicht zugelassen, der Kläger hat aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.   

Eine Prognose wagen wir nicht, nachdem wir weder mit dem Erfolg der letzten Beschwerde noch mit der Entscheidung vom BAG gerechnet hatten. 

Und was ist mit der Sozialauswahl???

Soviel sei aber gesagt: Das zweite Urteil des LAG hinterlässt durchaus Fragezeichen. Denn zum Thema Sozialauswahl verweist das LAG allein auf die vorherige Entscheidung des BAG. Die Sozialauswahl wird in einem Satz abgehandelt. Der Beklagte habe nach der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts, an die die erkennende Kammer gebunden ist, bei der vorgenommenen Auswahl die einschlägigen Sozialkriterien ausreichend berücksichtigt. 

Nur können wir dem Urteil vom BAG gar keine abschließende Beurteilung der Sozialauswahl entnehmen. 

Das BAG hatte sich zwar mit der Sozialauswahl auseinandergesetzt, aber allein mit dem Kriterium des Alters. Während das LAG das hohe Alter ursprünglich der Schutzwürdigkeit des Klägers zugeschrieben hatte, wertete das BAG es anders. Da der Kläger durch eine Altersrente versorgt sei, müsse er beim Kriterium des Lebensalters als deutlich weniger schutzbedürftig angesehen werden als Kollegen, die keine Rente beziehen können.

Lange Betriebszugehörigkeit fällt “unter den Tisch“

Es heißt in der Revisionsentscheidung wörtlich:

„Die der Berücksichtigung des Lebensalters bei der sozialen Auswahl vom Gesetzgeber beigemessenen Zwecke gebieten es, einen Arbeitnehmer, der bereits Regelaltersrente beziehen kann, jedenfalls hinsichtlich dieses Auswahlkriteriums als deutlich weniger schutzbedürftig anzusehen als Arbeitnehmer, die noch keinen Anspruch auf eine Altersrente haben. 

Nach dieser Entscheidung hatten wir uns gefragt, ob das Thema Sozialauswahl mit der Entscheidung vom BAG überhaupt vom Tisch ist. Denn der Kläger hat auch eine  - zum Teil deutlich - höhere Betriebszugehörigkeit als die anderen juristischen Mitarbeiter des Arbeitgeberverbandes. Obwohl das BAG dieses Kriterium nicht gekippt hat, gehen die Richter beim LAG auf die Sozialauswahl gar nicht mehr weiter ein. Kein Wort zum Auswahlkriterium der Betriebszugehörigkeit.

Vielleicht sehen die Richter die Sache tatsächlich so klar. Vielleicht wollten sie die Vorgabe des BAG  - Aufklärung der betrieblichen Gründe  - erfüllen und rechneten im Übrigen ohnehin damit, dass der Kläger nicht lockerlässt. Aufgrund der Hartnäckigkeit des Klägers wird zumindest jeder damit gerechnet haben, dass er es nicht gut sein lassen wird, sondern weiter zum BAG zieht. Und vielleicht danach auch weiter. 

Wer den Kläger in seiner beruflichen Laufbahn vor Gericht erlebt hat, wundert sich nicht über die Zähigkeit, mit dem er seinen Rechtsstreit führt. Wenn der eingefleischte Arbeitgeber-Jurist jedoch von der Treuwidrigkeit der Kündigung spricht und dem Verband, für den er mehr als drei Jahrzehnte tätig war, Rechtsmissbrauch vorwirft, so wundert man sich schon, wie es so weit kommen konnte und er sich auf diese Weise aus dem Arbeitsleben verabschieden musste. Oder eben auch nicht  - man wird sehen!  

 

UPDATE: Das Bundesarbeitsgericht hat am 22. März 2018 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

 

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