Reicht das für eine Krankschreibung aus? Copyright by Elnur/Fotolia
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Krankschreibung durch WhatsApp?

Es passiert immer wieder: man erkältet sich, die Nase läuft, der Hals tut weh, vielleicht hat man auch Fieber…
Da bleibt man am besten von der Arbeit fern. Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat man aber nur, wenn man dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen kann. Dazu sucht man eine/n Arzt/ Ärztin auf, der/die Erkrankung feststellt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
 
Neu ist nun das Angebot eines Startup, das seit kurzem den Versand von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen über WhatsApp anbietet.
 

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch Ferndiagnose

Der Service ist nach den Angaben des Anbieters nur für Erkältungserkrankungen vorgesehen, da diese durch Fragen gut zu diagnostizieren seien. Wer sich krankschreiben lassen möchte, muss auf der Website des Anbieters einige Fragen zu Symptomen und etwaigen Risiken beantworten. Dann gibt er noch seine persönlichen Daten ein, bezahlt eine Gebühr ( derzeit neun Euro), und sendet dann die Information per WhatsApp an den /die Arzt/ Ärztin. Reichen die Symptome aus, diagnostiziert der Arzt eine Erkrankung, stellt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus und sendet sie dann dem Arbeitnehmer zunächst über WhatsApp und dann per Post zu. Dabei kann man maximal drei Tage krankgeschrieben werden, und auch das nur zweimal im Jahr. Dadurch soll nach den Angaben des Anbieters einem Missbrauch vorgebeugt werden.
 

Ist solch eine AU-Bescheinigung gültig?

Arbeitgeber bezweifeln, dass sie verpflichtet sind, solch eine AU-Bescheinigung zu akzeptieren. Als Argument führen sie an, dass entgegen den ärztlichen Behandlungsgrundsätzen ein sog. Arzt/Patientenkontakt ( also eine persönliche Untersuchung durch den Arzt) nicht stattfinden würde.
 
Allerdings ist dieser Grundsatz durch eine neue Berufsordnung für Ärzte, die auf dem Deutschen Ärztetag im Herbst 2018 in Erfurt vorgeschlagen wurde, aufgeweicht worden. Danach soll eine Beratung und Behandlung eines/r Patienten/in über Kommunikationsmedien im Einzelfall erlaubt sein. Voraussetzung dafür ist, dass die ärztliche Sorgfaltspflicht gewahrt bleibt und der/ die Patient/in über die Besonderheiten der Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.
 
Inzwischen haben einige Länder ( Berlin, Bayern, Schleswig-Holstein) ihre Berufsordnung für Ärzte entsprechend geändert .Man wird also davon ausgehen können, dass in diesem Fall eine AU-Bescheinigung über WhatsApp formal wirksam ist.
 

Beweiswert einer AU-Bescheinigung kann erschüttert werden

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob der Arbeitnehmer im Streitfall ( im Kündigungsrechtstreit oder wenn es um Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geht) durch Vorlage einer WhatsApp-AU-Bescheinigung beweisen kann, dass tatsächlich eine Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, vorgelegen hat.
 
Liegen die formalen Voraussetzungen vor ( d.h. wenn die Bescheinigung von einem zugelassenen Arzt ausgestellt worden ist und aus ihr die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hervorgeht), messen die Arbeitsgerichte einer ( inländischen) AU-Bescheinigung einen hohen Beweiswert zu; d.h. es wird angenommen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Allerdings kann der Arbeitgeber versuchen, den Beweiswert der AU-Bescheinigung zu erschüttern. Er muß dafür beim Gericht ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hervorrufen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer auf einer privaten Baustelle „erwischt“ wird, obwohl er wegen eines Rückenleidens krankgeschrieben war.
 
Es gibt noch viele weitere Erschütterungsfälle, die die Rechtsprechung entwickelt hat. Dazu zählt bis jetzt auch, wenn der/die  Arzt/ Ärztin eine ärztliche AU-Bescheinigung ausgestellt hat, ohne den Patienten vorher untersucht zu haben. Ob eine Ferndiagnose über WhatsApp ausreicht, ist von den Arbeitsgerichten bis jetzt noch nicht entschieden worden. Es lassen sich aber gute Gründe dafür finden. Immerhin wirbt der Dienstleister damit, dass die Ärzte die Fernuntersuchung auf der Grundlage eines umfangreichen Fragenkatalogs durchführen. Damit das Gericht das nachvollziehen kann, wird der Beschäftigte aber voraussichtlich Angaben zu dem Fragenkatalog und seinen Informationen an den Arzt machen müssen-was nicht unbedingt in seinem/ ihren Interesse ist. Schließlich weiss der Arbeitgeber dann, um welche Krankheit es geht. Er kann sich dann auch überlegen, ob der /die Beschäftigte such unter Umständen genesungswidrig verhalten hat…
 

Datenschutzbehörden warnen

Damit sind wir auch beim Thema Datenschutz angelangt.
 
Schließlich versendet der Nutzer der AU-WhatsApp Daten zu seiner E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Wohnanschrift, Einzelheiten zu seiner Krankenversicherung und seinen Krankheitssymptomen. Dies sind alles personenbezogene Daten nach der Datenschutzgrundverordnung( DSGVO). Der Anbieter der AU-WhatsApp erklärt zwar in seiner Datenschutzerklärung, dass er nur die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse speichert, alle anderen Daten würde nur der/die  Arzt/ Ärztin erhalten und auf ihrem Dienst-PC speichern. Wie sicher aber über WhatsApp übermittelte Daten wirklich sein, ist umstritten. Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen hält jedenfalls die Übermittlung von Gesundheitsdaten über WhatsApp an. Unternehmen für datenschutzrechtlich bedenklich.
 
Merkblatt für die Nutzung von „WhatsApp“ in Unternehmen | Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen

Das sagen wir dazu:

So naheliegend und praktisch es auch ist, sich bei einer Erkältungserkrankung den Weg zum Arzt zu sparen (was auch andere vor einer Ansteckung schützt): eine Krankschreibung über WhatsApp ist wegen der Probleme, die aufgezeigt worden sind, derzeit nicht empfehlenswert. Es sollte abgewartet werden, ob die Arbeitsgerichte eine über WhatsApp ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung akzeptieren.

Rechtliche Grundlagen

§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz

§ 5 Entgelttorfzahlungsgesetz

(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muß die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, daß der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

(2) Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, verpflichtet, auch dieser die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angezeigt, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der gesetzlichen Krankenkasse die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Die gesetzlichen Krankenkassen können festlegen, daß der Arbeitnehmer Anzeige- und Mitteilungspflichten nach den Sätzen 3 und 4 auch gegenüber einem ausländischen Sozialversicherungsträger erfüllen kann. Absatz 1 Satz 5 gilt nicht. Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.