Ein Blick in die Versorgungsordnung kann Sinn machen. Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main
Ein Blick in die Versorgungsordnung kann Sinn machen. Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main

Der im Juni 1945 geborenen Klägerin, die seit Januar 1999 bei der Beklagten beschäftigt war, wurden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung der Beklagten zugesagt. Die Versorgungsordnung sieht nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Gewährung einer Altersrente vor. Versorgungsberechtigt sind Mitarbeiter, die über eine mindestens zehnjährige Dienstzeit (Wartezeit) bei der Beklagten verfügen und zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters

Das BUNDESARBEITSGERICHT stellte in seiner Entscheidung  vom 18.3.2014 - 3 AZR 69/12 - fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine betriebliche Altersrente zu zahlen. Die Bestimmung in einer Versorgungsordnung, wonach der Arbeitnehmer bei Erfüllung einer rechtlich nicht zu beanstandenden 10-jährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfe, ist nach § 7 Abs.2 AGG unwirksam. Eine in dieser Form ausgestaltete Bestimmung in einer Versorgungsordnung führt zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von §§ 1, 3 Abs.1 AGG und § 7 AGG, da sie Mitarbeiter, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 45. Lebensjahr vollendet haben, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung ausschließt.

Unangemessene Altersgrenze

Eine sachliche Rechtfertigung nach § 10 Satz 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG war nach der Auffassung des Dritten Senats des BAG nicht erkennbar. In der mündlichen Verhandlung ergab der Dritte Senat zu erkennen, dass nach dessen Auffassung  zwar grundsätzlich Altersgrenzen in Systemen der betrieblichen Altersversorgung festgesetzt werden können, die konkrete Altersgrenze jedoch stets  angemessen sein müsse. Dies aber sei bei einer Bestimmung dann nicht der Fall, die Arbeitnehmer, die noch mindestens 20 Jahre betriebstreu sein können, von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausschließe, da der Arbeitnehmer nur noch die Hälfte seines Berufslebens die Möglichkeit habe eine betriebliche Altersvorsorge zu erarbeiten. Dies sei auch im Hinblick auf das steigende Renteneintrittsalter der Arbeitnehmer  nicht gerechtfertigt, so das BAG.

Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.3.2014, 3 AZR 69/12 als Volltext

Anmerkung unseres gewerkschaftlichen Centrums für Revision und Europäisches Recht in Kassel:

Der Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung kann durch Altersgrenzen in einer Versorgungsordnung beschränkt werden; diese müssen aber angemessen sein. Das ist nach dieser Entscheidung des BAG jedenfalls dann nicht gegeben, wenn Arbeitnehmer, die noch mindestens 20 Jahre betriebstreu sein können, ausgeschlossen werden. Die Regelung ist wegen Altersdiskriminierung unwirksam. In einer Entscheidung vom 12.11.2013 hatte derselbe Senat eine Altersgrenze gebilligt, die den Erwerb von Anwartschaften bei Eintritt in das Unternehmen ab dem 50. Lebensjahr ausschließt. Gegen diese Entscheidung wurde durch die Anwälte der EurAA mit Unterstützung des gewerkschaftlichen Centrums Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. Vor diesem Hintergrund sollten anhängige Verfahren jedenfalls zunächst offengehalten werden.

Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht

 

Rechtliche Grundlagen

Blick in Versorgungsordnung!

Arbeitnehmer denen Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung zugesagt wurden sollten einen Blick in die für sie maßgebende Versorgungsordnung werfen. Wenn sich hierbei ergibt, dass nach der Versorgungsordnung ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht obwohl die Wartezeit erfüllt ist, so sollte überprüft werden, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gegeben ist.