Die Pilotenvereinigung Cockpit e.V. hatte ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen, wobei die Gewerkschaft als offizielle Streikziele
die Regelung der Übergangsversorgung
Entgelterhöhungen und
die Sicherung der Betriebsrenten verfolgte.

Zudem sieht der Lufthansakonzern in einem Kostensenkungskonzept mittels Billigtöchter und verschlechterten Arbeitsbedingungen („Tarifflucht“) eine Chance im internationalen Wettbewerb.

Verhinderung eines Unternehmenskonzeptes als Streikziel?

Die Verhinderung dieses von der Konzernleitung kommunizierten Unternehmenskonzepts („Wings-Konzept“) verlautbarte die Pilotengewerkschaft als weiteres Verhandlungsziel. Hiergegen wandte sich die Arbeitgeberin mit Anträgen der Lufthansa AG und der Lufthansa Cargo AG an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main  sowie mit Antrag der Germanwings GmbH an das Arbeitsgericht Köln und beantragte, die Streikmaßnahmen als rechtswidrig zu untersagen.

Das Landesarbeitsgericht Hessen untersagte am 09.09.2015 den Streik als rechtswidrig (Hierzu: Pressemitteilung des Hessischen Landesarbeitsgerichts) und hob damit die die Anträge zurückweisende Entscheidung des Arbeitsgerichtes Frankfurt (Urteil vom 8.09.2015 – 13 Ga 130/15 Hierzu: Pressemitteilung des Arbeitsgerichtes Frankfurt) auf. Nach mündlicher Begründung und Pressemitteilung ist es zur Überzeugung gekommen, dass  - über das offizielle Streikziel hinausgehend - auch um die Mitbestimmung bei der Konzernstrategie gestreikt werden solle. Dies sei kein tariffähiges Ziel. 


Das Arbeitsgericht Köln hingegen wies den Antrag mit Entscheidung vom 08.09.2015, Az: 14 Ga 91/15 ab.(Hierzu; Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln) Es sah keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines unzulässigen Streikziels. Die angekündigten Arbeitskampfmaßnahmen seien nicht unverhältnismäßig. Das zunächst eingelegte Rechtsmittel der Berufung (Hierzu; Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Kölnwurde, aufgrund Antragsrücknahme (Hierzu; Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln) durch die Germanwings GmbH, nicht entschieden. 


Wie soll dies ein Mensch auf der Straße verstehen? In Köln ist der Streik rechtmäßig, in Frankfurt nicht. 

Führt eine einzelne rechtswidrige Streikforderung schon zur Rechtswidrigkeit des Streiks?

Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Garantie in Art. 9 Abs. 3 Satz 3 Grundgestz (GG) besteht keine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfes. Die Rechtsprechung hat mittels Rechtfortbildung das Streikrecht daher bereits früh auf ein tariflich regelbares Kampfziel durch eine tariffähige Gewerkschaft beschränkt. Damit wird das Tarifrecht zur Schranke bei der Ausübung des Streikrechts.


Die bisherige Rechtsprechung so zuletzt ArbG Hamburg (Urteil vom 30. Juni 2009 – 7 Ga 2/09 –) besagt, dass die Verfolgung eines rechtwidrigen – da tariflich nicht regelbaren - Ziels im Wege des Streiks die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge habe.

Welche Anforderungen stellt die Rechtsprechung an rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen:

 

  1. Der Arbeitskampf muss von einer tariffähigen und satzungsmäßig zuständigen Gewerkschaft beschlossen, organisiert und geführt werden
  2. Der Arbeitskampf muss um Ziele geführt werden, die zulässige durch Tarifvertrag geregelt werden können und sollen.
  3. Der Arbeitskampf muss sich gegen den potenziellen Verhandlungspartner oder dessen Mitglieder richten.
  4. Eine Friedenspflicht aus Tarifvertrag oder eine Schlichtungsvereinbarung darf den Arbeitskampf nicht entgegenstehen.
  5. Der Arbeitskampf muss mit gesetzeskonformen Mitteln geführt werden.
  6. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden. Der Arbeitskampf muss geeignet, erforderlich und angemessen sein das Ziel der tariflichen Regelung zu erreichen. Während der Tarifverhandlungen sind begleitende Aktionen wie z.B. kurzzeitige Arbeitsniederlegungen (Warnstreiks), für zulässig. Vor einem Erzwingungsstreik sollen dagegen alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.


Die Frage, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt werde, bereits die Rechtswidrigkeit einer nur untergeordneten Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führe, sei bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung offen gelassen (Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 04.05.1955 – 1 AZR 493/54 sowie BAG Urteil vom 10.12.2002 – 1 AZR 96/2002). 


Hingegen sei anerkannt, dass eine rechtswidrige Hauptforderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führe (BAG 04.05.1955 – 1 AZR 493/54, BAG vom 10.12.2002 – 1 AZR 96/2002 -).

Mehr Dunst als Durchblick an der Streikfront über den Wolken.

Dies führt zu den oben genannten unterschiedlichen Entscheidungen. Macht ein („scheinbar“) tarifwidriges Ziel den Streik rechtswidrig? Kann der Versuch einer Gewerkschaft, mehrere tarifliche Ziele mittels Arbeitskampf durchzusetzen, von denen eine nicht ganz unwesentliche Forderung (scheinbar) tarifwidrig ist, zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führen? Wäre dies dann nicht eher eine Frage der Angemessenheit des Streiks hinsichtlich Intensität und seiner Folgen?


Ein solches Verständnis würde die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer verstärken. Die Gewerkschaften müssen ihre Vorhaben offen kommunizieren, damit ihre Mitglieder sich frei für oder gegen die Durchsetzung der Tarifziele und zur Teilnahme am Arbeitskampf entscheiden können. Die Arbeitgeberseite kann hingegen über fast alles ein „unternehmerisches Konzept“ stülpen, welches auch die tariffähigen Arbeitskampfziele umfasst.


Ein Konzept der Kostensenkung mittels Tarifflucht, des Abbaus der betrieblichen Altersversorgung, des Unternehmensumbaus mit Betriebsübergängen, der Ausgliederungen und Aufgabenverlagerungen bleibt nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Frankfurt auch dann ein der „tariflichen Mitbestimmung“ entzogenes „unternehmerisches Konzept“, wenn hiervon auch wesentlich tariflich regelbare Teile betroffen sind.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – ein Streikziel?

Gleiches Geld für gleiche Arbeit zwischen den Geschlechtern ist eine anerkannte, aber noch ferne Forderung. Viel ferner ist ein solches Ziel in Konzernen. Hier gibt es oft A-Betriebe, B-Betriebe und C-Betriebe, die stark unterschiedliche Arbeitsbedingungen haben. Soll hier die Belegschaft und die zu erledigenden Aufgaben verschoben werden, kann man sich zu Recht fragen, ob dies nicht auch Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Sinne des Art. 9 Abs.3 Grundgesetz (GG) sind. 


Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nur der Nachteilsausgleich bei Unternehmensumstrukturierungen (Tarifsozialplan) ein tariffähiges Ziel, nicht jedoch die Mitbestimmung beim Unternehmenskonzept (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG) 24.04.2007 - 1 AZR 252/06). Bei der Umsetzung des unternehmerischen Konzepts gibt es keine echte Mitbestimmung, es bleibt lediglich ein Konsultationsrecht.
Hintergrund: Betriebsänderung / Interessenausgleich / Sozialplan