Im Herbst 2014 fiel der 46-jährige Produktionsmitarbeiter, Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - IG BCE und langjähriger Betriebsrat, bei der Firmenleitung in Ungnade. Er soll einen Arbeitskollegen aufgefordert haben, weniger zu arbeiten.


Kündigen konnte ihn der Chef jedoch nicht: Der „Übeltäter“ genoss nämlich als Betriebsratsmitglied Kündigungsschutz. Zur fristlosen Kündigung war eine Zustimmung des Betriebsrates oder eine Ersetzung dieser durch das Arbeitsgericht erforderlich.

 

Erfolg für den Betriebsrat im Zustimmungsersetzungsverfahren

Als der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte, leitete der Arbeitgeber sofort das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren ein, in dem sich der Betriebsrat vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten ließ.


Mit Erfolg für den Betriebsrat! Der Arbeitgeberantrag wurde abgewiesen.


Die Arnsberger Richter wiesen deutlich darauf hin, dass die dem Betriebsratsmitglied gemachten Vorwürfe vollkommen ungeeignet für die beabsichtigte fristlose Kündigung waren. 


Der Gerichtsbeschluss war so überzeugend, dass der Arbeitgeber nicht einmal die 2. Instanz bemühte. Für die Vorwürfe, die die fristlose Kündigung hätten begründen sollen, erhielt der Produktionsmitarbeiter eine – allerdings auch sehr zweifelhafte - Abmahnung.

Arbeitgeber verweigert Weiterbeschäftigung

Das Arbeitsverhältnis bestand also ungekündigt fort. Deshalb war der Chemiearbeiter weiter zu beschäftigen.


Weit gefehlt!


Im Hochsauerland ticken die Uhren offenbar anders. Obwohl die Rechtslage zugunsten des Gewerkschafters eindeutig war, glaubten sich Geschäftsführer und Personalchefin vollkommen im Recht, als sie die Weiterbeschäftigung des Betriebsrates immer noch ablehnten.


„Unzumutbar“ sei es, den Mitarbeiter wieder in den Betrieb zu lassen. Immerhin habe der sich geweigert, eine Abmahnung entgegenzunehmen und sich sogar erdreistet, eine Gegendarstellung zu verfassen! Seinen Lohn, der ihm vom Arbeitgeber seit Herbst verweigert worden war und den das Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - IG BCE erfolgreich eingeklagt hatte, hat er im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben. Unzumutbar, diesen Mann wieder arbeiten zu lassen!

Gerichtliche Durchsetzung der Weiterbeschäftigung

Der 46-jährige wandte sich wieder an seine Gewerkschaft und klagte mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH auf Weiterbeschäftigung.


Einstweilige Verfügung und Hauptsacheverfahren waren in allen Instanzen erfolgreich.


„Rechtlich völlig korrekt“ habe sich der Betriebsrat verhalten, erkannte das Arbeitsgericht Arnsberg. Ein Beschäftigter habe nun einmal in einem bestehenden Arbeitsverhältnis einen Beschäftigungsanspruch. Und wenn der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung für unzumutbar halte, sei dies absolut nicht nachvollziehbar. 


Der Betriebsrat hätte vielleicht nicht die Entgegennahme der Abmahnung verweigern dürfen. Dies führe jedoch nicht zum Wegfall seines Weiterbeschäftigungsanspruches. Im Übrigen habe er sich nämlich völlig korrekt verhalten. Nicht erkennbar sei, dass er die Zwangsvollstreckung zu Unrecht betrieben habe. Und eine Gegendarstellung zur Abmahnung durfte er selbstverständlich auch zur Personalakte reichen.

Erfolg in allen Instanzen

Wegen der Eilbedürftigkeit und der nicht erkennbaren Erfolgsaussichten für den Arbeitgeber verurteilte das Arbeitsgericht Arnsberg das Unternehmen im einstweiligen Verfügungsverfahren dazu, das Betriebsratsmitglied sofort weiter zu beschäftigen. Das wollte der uneinsichtige Arbeitgeber allerdings nicht wahrhaben. Er legte Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm ein. Dort waren die Worte des Vorsitzenden Richters deutlich genug: Endlich erkannten der Geschäftsführer und seine getreue Personalchefin die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens und nahmen die Berufung zurück.

Der Produktionsmitarbeiter wird weiterbeschäftigt und kann endlich auch wieder geordnet seiner Betriebsratsarbeit nachgehen.

 

Das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg im Einstweiligen Verfügungsverfahren können Sie hier nachlesen:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg im Hauptsacheverfahren finden Sie hier:

 

Einen weiteren Fall, in dem die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gescheitert ist, können Sie hier nachlesen:

 

  • Rechtstipp:

 

 

Betriebsverfassungsgesetz

 

§ 103 Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen

 

(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

 

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

 

(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.