Seit fünf Jahren arbeitete der 32-jährige in der Schmiede. Eben erst war er in den Betriebsrat gewählt worden, da gab es schon Ärger: Die Vorgabezeiten für die Schmiede sollten verschärft werden, ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Nur der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter waren kurz informiert worden. Und die hatten kurzerhand alles abgenickt.

 

1. Halbzeit

 

Das brachte die 35 Schmiedearbeiter in Rage. Sie schickten das Betriebsratsmitglied aus ihren Reihen vor. „Warum habt denn nur ihr beide entschieden, ohne den Betriebsrat zu beteiligen?“ stellte er seine Kollegen aus dem Betriebsrat zur Rede. Und bezogen auf die Unruhe in der Schmiede: „Die Kollegen sind unzufrieden, sie wollen streiken!“
Das hatte der Betriebsratsvorsitzende aber wohl falsch verstanden. Mit dem Vorwurf, sein Betriebsratskollege rufe zum Streik auf, wandte er sich an den Chef.

 

Böses Foul

 

Einen Streik hat es nie gegeben. Trotzdem rief der Chef das Arbeitsgericht an, um den ungeliebten Schmied nach § 23 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aus dem Betriebsrat auszuschließen. „Verletzung der Neutralitätspflicht durch unerlaubten Streikaufruf“ lautete der Vorwurf. In der Tat darf ein Betriebsrat im Amt nicht zum Streik aufrufen. Dies kann einen Ausschluss aus dem Betriebsrat rechtfertigen.

Mit Unterstützung der IG Metall wandte sich der Arbeiter an den DGB Rechtsschutz und wurde erfolgreich von dem Hagener Rechtssekretär Michael Mey vertreten.

 

1 : 0 für den Betriebsrat

 

Das Arbeitsgericht Hagen wies den Ausschlussantrag zurück. Einen Streikaufruf konnte der Arbeitgeber nämlich nicht beweisen. Und eine Erörterung von Streikabsichten im Betriebsratsgremium ist erlaubt. Der Chef legte zwar Rechtsmittel beim Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ein. Dieses führte jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis.

Die Niederlage wollte der Arbeitgeber nicht akzeptieren. Er reagierte prompt, hatte er doch, wie er meinte, etwas Besseres gefunden: Entsprechend seiner lange gemachten Androhung sprach er dem 32-jährigen die fristlose Kündigung aus.

 

2. Halbzeit

 

Die nach § 103 Abs. 1 BetrVG für eine fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes erforderliche Zustimmung des Betriebsrates war sofort erreicht. Zu schnell ließ sich das Gremium wiederum vom Chef überzeugen. Der Vorwurf gegen den Schmied schien ja auch erdrückend: Während seiner zweiwöchigen Krankheit war er beim Umbau seines Hauses erwischt worden. Schwere Mauerbrocken soll er aus dem Kellerfenster gewuchtet haben, so will der Betriebsleiter mit eigenen Augen gesehen haben. Also habe er seine Krankheit nur vorgetäuscht und hätte zur Arbeit kommen müssen. Jedenfalls habe er sich „genesungswidrig“ verhalten: Ins Bett habe er gehört, wenn er wirklich krank gewesen sei.

 

Das 2. Foul des Arbeitgebers


Gegen die fristlose Kündigung zog der Arbeiter wiederum mit Hilfe des DGB Rechtsschutzes vor das Arbeitsgericht. Er habe abends nur den Baustaub vom Gehweg gefegt, rechtfertigte er sich. Mehr habe sein Betriebsleiter bei der 30-minütigen Hausbeobachtung im abendlichen Dämmerlicht ohnehin nicht sehen können.

Das Hagener Arbeitsgericht konnte keine Zweifel an der immerhin ärztlich bescheinigten Krankheit erkennen. Die angeblich vom Arbeitgeber beobachteten Tätigkeiten seien ohnehin nicht mit der schweren körperlichen Tätigkeit eines Schmiedes vergleichbar. Schon deshalb könne aus den beobachteten Handlungen nicht auf die volle Arbeitsfähigkeit geschlossen werden.

 

2 : 0 für den Betriebsrat

 

Auch der Vorwurf, das Betriebsratsmitglied habe sich durch die Beteiligung an den Baumaßnahmen nicht so verhalten, wie es eine schnelle Gesundung erfordert, konnte die Kündigung nicht rechtfertigen.

Zwar hat ein kranker Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was die Genesung verzögert.
Aber der hier geäußerte Vorwurf konnte schon deshalb nicht beachtet werden, weil es keine vorherige Abmahnung gab. Deshalb erklärten die Hagener Arbeitsrichter die Kündigung für unwirksam.

 

Nachspielzeit

 

Diese deutliche Niederlage wollte der Chef nicht akzeptieren. Er legte Berufung ein und zog wiederum vor das LAG Hamm. Ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Vorinstanz in allen Punkten.Mit Hilfe seiner Gewerkschaft und des DGB Rechtsschutzes konnte der Schmied seinen Arbeitsplatz und sein Betriebsratsamt behalten.

 

 

Michael Mey