An deutschen Hochschulen darf fast unbegrenzt befristet werden.
An deutschen Hochschulen darf fast unbegrenzt befristet werden.

Man muss es sich noch einmal in Erinnerung rufen: Für das deutsche Arbeitsrecht ist das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis der Normalfall. Alle anderen Vertragsformen, auch die Befristung, ist die gesetzliche Ausnahme! In der Praxis sieht dies jedoch anders aus, ganz besonders in der Wissenschaft.

Befristung innerhalb und außerhalb der Wissenschaft


Im allgemeinen Arbeitsrecht ergibt sich die Möglichkeit der Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), nach dem Befristungen für die Dauer von zwei Jahren möglich sind, ohne dass hierfür ein Grund vorliegen muss. Dabei ist innerhalb dieser zwei Jahre höchstens dreimal eine Verlängerung möglich.

Liegt ein anerkannter Befristungsgrund vor, zum Beispiel Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung, kann der Arbeitsvertrag ebenfalls befristet werden, ohne zeitliche Grenze.

Neben diesen allgemeinen Regeln sieht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) weitere Befristungsmöglichkeiten vor, ohne sachlichen Grund für mindestens 12 Jahre, zudem gibt es einen weiteren Sachgrund für Beschäftigte in Drittmittelprojekten. Die Befristungsketten lassen sich dadurch bequem bis zum Renteneintritt ziehen.

Ohne Sachgrund: die 2x6 Jahre Regel


Das Gesetz unterscheidet zwei Sorten von wissenschaftlichem Personal, nämlich das „promovierte“ und das „nicht-promovierte“. Für beide ist grundsätzlich eine Befristung von je sechs Jahren möglich. Mediziner können nach Abschluss ihrer Promotion sogar bis zu neun Jahren befristet beschäftigt werden.

Da beide Phasen aufeinander aufbauen, ist daher eine Befristung von insgesamt 12 bzw. 15 Jahren ohne sachliche Gründe möglich, nämlich bis zu sechs Jahre bis zum Doktortitel („Qualifizierungsphase“) und weitere sechs bzw. neun Jahre nach Erwerb des Doktortitels („Post-Doc-Phase“).

Das Gesetz gibt den Beschäftigten aber keinen Anspruch auf Qualifizierung, sondern nur das Recht, sie zu befristen: Entscheidend für die „Qualifizierungsphase“ ist nicht, dass der/die Beschäftigte tatsächlich seine Doktorarbeit schreibt, sondern nur, dass er sie noch nicht beendet hat. Die Hochschulen werden zu nichts verpflichtet.

Wer studiert, braucht keinen unbefristeten Vertrag


Völlig rechtlos stellt der Gesetzgeber die in der Wissenschaft beschäftigten Student*innen: Wer neben dem Studium an einem Lehrstuhl arbeitet, der befindet sich ebenfalls in der „Qualifizierungsphase“ und kann damit für bis zu sechs Jahren befristet werden.

Die Befristung während des Studiums wird aber nicht auf die zulässige Höchstdauer angerechnet, so dass nach Abschluss des Studiums eine Befristung von sechs Jahren bis zum Doktortitel möglich ist.

Wer also während seines Studiums schon drei Jahre als studentische Hilfskraft tätig war, der kann insgesamt für 15 bzw. 18 Jahre befristet beschäftigt werden, ohne dass es eines Sachgrundes bedarf.

Die „Familienpolitische Komponente“


Die zulässige Höchstdauer der Befristung erhöht sich um weitere zwei Jahre für jedes Kind, sofern dieses von der/dem jeweiligen Beschäftigten betreut wird. Der Gesetzgeber spricht hier tatsächlich von einer „familienpolitischen Komponente“, mit der Familien unterstützt werden sollen.

Das jeweilige Elternteil hat aber keinen Anspruch, dass sein Vertrag um zwei Jahre pro Kind verlängert wird. Das Gesetz gibt lediglich den Hochschulen die Möglichkeit, dessen befristete Beschäftigung um einen weiteren Zeitraum zu verlängern. Wenn die hiervon keinen Gebrauch macht, ist das Arbeitsverhältnis beendet. Eine fragwürdige Art der Familienförderung!

Wer also beispielsweise zwei Kinder hat, der kann um bis zu vier Jahre zusätzlich befristet werden, insgesamt also bis zu 19 bzw. 22 Jahre.

Kein Anspruch auf Mindestlaufzeit des Vertrages


Der unbefangene Leser könnte nun denken, der junge Vater oder die junge Mutter hätte, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis verlängert, Anspruch auf einen neuen befristeten Arbeitsvertrag für jeweils zwei volle Jahre pro Kind. Dies ist aber falsch!

Der Gesetzgeber hat die Hochschulen bei der Mindestvertragslaufzeit in keiner Weise eingeschränkt, weder bei der Sondervorschrift für Kinderbetreuung, noch bei den allgemeinen Vorschriften. Es liegt im Ermessen der jeweiligen Hochschule, ob sie Mehrjahres-, Jahres-, Mehrmonats- oder Monatsverträge schließt. Eine Grenze, wie ihn das TzBfG vorsieht, gibt es nicht.

Auch wenn eine Promotion in den meisten Studiengängen mindestens drei Jahre dauert, besteht kein Anspruch auf einen Vertrag über diese Laufzeit, obwohl klar ist, dass das angestrebte Ziel – nämlich der Doktortitel – in dieser Zeit nicht zu schaffen ist.

Ebenso wenig gibt es einen Anspruch auf einen Zweijahresvertrag, wenn die/der Beschäftigte ein Kind betreute, obwohl der Gesetzgeber seinen dahin gehenden Willen zumindest angedeutet hat. Konsequent umgesetzt hat er ihn nicht.

Dann doch: Anspruch auf Vertragsverlängerung


Für einige Fälle hat der Gesetzgeber dann doch ein Einsehen gehabt und den Beschäftigten einen Anspruch auf Vertragsverlängerung eingeräumt. Im Wesentlichen betrifft dies Zeiten der Beurlaubung, wobei der Gesetzgeber wiederum Einschränkungen gemacht hat.

Eine Vertragsverlängerung kommt nur in Frage, wenn der/die Arbeitnehmer*in wegen der Pflege- oder Betreuung von Familienangehörigen, einer wissenschaftlichen Tätigkeit außerhalb des deutschen Hochschulwesens oder wegen seines Engagements in Gremien der betrieblichen Mitbestimmung freigestellt war.

Wer also für zwei Jahre an eine ausländische Universität abgeordnet ist und zudem für eine Wahlperiode (vier Jahre) als Betriebs- oder Personalratsvorsitzender freigestellt war, der kann seine Befristungsdauer um weitere sechs Jahre auf dann bis zu 25 oder 28 Jahre ausdehnen.

2-Jahres-Zeitraum gilt außerdem


Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist zwar ein spezielles Gesetz für das wissenschaftliches Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, darüber hinaus gelten aber auch die Befristungsregeln des TzBfG.

Dies gilt nicht nur für die Sachgrund-Befristungen wie Krankheitsvertretung oder saisonalem Bedarf an der Arbeitskraft, sondern auch für die Befristung ohne Sachgrund für die Dauer von zwei Jahren. Auch diese Befristungsmöglichkeit kommt „on top“, jedenfalls wenn diese Befristung bei einem anderen Arbeitgeber abgeschlossen wird.

Wenn man also als Hochschule auch von dieser Befristungsmöglichkeit Gebrauch macht, ist eine maximale Befristungsdauer von 27 bzw. 30 Jahren möglich.

Zudem: Die Befristung mit Sachgrund


Als weiteren Sachgrund sieht das WissZeitVG die Beschäftigung in Drittmittelprojekten vor. Notwendig ist nicht einmal, dass die Stelle komplett aus Drittmitteln finanziert wird, der Anteil der Fremdmittel darf nur nicht weniger als 50 % betragen.

Wenn also der/die Beschäftigte nicht nur aus Mitteln der Hochschule selbst, sondern durch projektgebundene Fördergelder zu mehr als 50% bezahlt wird, kann er ohne zeitliche Begrenzung befristet werden.

Drittmittelfinanzierte Forschung hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen, die Hochschulen bemühen sich verstärkt um diese Drittmittel, da die eigene Ausstattung zunehmend nicht mehr ausreichend ist. Als Drittmittelgeber fungiert nicht nur die Industrie, sondern auch der Staat selbst über die Vergabe von Fördermitteln.

Diese an sich schon fragwürdige Entwicklung wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, die in diesem Bereich unbegrenzt befristet eingestellt werden können. Die Hochschulen geben das selbst verursachte unternehmerische Risiko voll an die Arbeitnehmer weiter – der Gesetzgeber ermöglicht es ihnen ja!

Zu den errechneten 27 bis 30 Jahren sachgrundloser Befristung kann also eine unbegrenzte Anzahl an Befristungen mit Sachgrund hinzukommen, genug, um ein Erwerbsleben zu bestreiten.

Endlich unbefristet: Die Rente


Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dehnt die Befristungsmöglichkeiten in ungeahnte Weiten aus. Es bedient die Interessen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ihren Betrieb möglichst reibungslos weiterführen zu können.

Es berücksichtigt weder die Bedürfnisse junger Wissenschaftler nach Planungssicherheit, noch die Bedürfnisse junger Familien. Ein Gesetz, das eine Ausdehnung der Befristung als soziale Wohltat für Beschäftigte mit Kindern versteht, missachtet die grundsätzlichen Wertungen des Arbeitsrechts und stellt die ihm Unterworfenen schutzlos.

Die deutschen Hochschulen, die im internationalen Vergleich mit Hochschulen in der ganzen Welt stehen, tun sich mit diesem Gesetz keinen Gefallen, soweit es um die Gewinnung junger, qualifizierter und motivierter Mitarbeiter*innen geht. Wer kann, wird sich im Ausland nach attraktiveren Arbeitgebern umsehen.

Und wer dies nicht will, der darf sich am Ende eines Erwerbslebens in der Wissenschaft auf eine neue Erfahrung freuen: Ein planbares Monatseinkommen auf unbestimmte Zeit in Form der Rentenzahlung – diese endet erst mit dem Tod.

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 2 WissZeitVG

Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG)
§ 2 Befristungsdauer; Befristung wegen Drittmittelfinanzierung

(1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich.

(2) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Personals ist auch zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist auch die Befristung von Arbeitsverträgen des nichtwissenschaftlichen und nichtkünstlerischen Personals zulässig.

(3) Auf die in Absatz 1 geregelte zulässige Befristungsdauer sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung im Sinne des § 5 abgeschlossen wurden, sowie entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit und Privatdienstverträge nach § 3 anzurechnen. Angerechnet werden auch befristete Arbeitsverhältnisse, die nach anderen Rechtsvorschriften abgeschlossen wurden. Zeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die vor dem Abschluss des Studiums liegen, sind auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer nicht anzurechnen.

(4) Im Arbeitsvertrag ist anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf Vorschriften dieses Gesetzes gestützt werden. Die Dauer der Befristung muss bei Arbeitsverträgen nach Absatz 1 kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein.

(5) Die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages nach Absatz 1 verlängert sich im Einverständnis mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter um 1.
Zeiten einer Beurlaubung oder einer Ermäßigung der Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit, die für die Betreuung oder Pflege eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren oder pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger gewährt worden sind,
2.
Zeiten einer Beurlaubung für eine wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit oder eine außerhalb des Hochschulbereichs oder im Ausland durchgeführte wissenschaftliche, künstlerische oder berufliche Aus-, Fort- oder Weiterbildung,
3.
Zeiten einer Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach den §§ 3, 4, 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes in dem Umfang, in dem eine Erwerbstätigkeit nicht erfolgt ist,
4.
Zeiten des Grundwehr- und Zivildienstes und
5.
Zeiten einer Freistellung im Umfang von mindestens einem Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit zur Wahrnehmung von Aufgaben in einer Personal- oder Schwerbehindertenvertretung, von Aufgaben eines oder einer Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten oder zur Ausübung eines mit dem Arbeitsverhältnis zu vereinbarenden Mandats.
Eine Verlängerung nach Satz 1 wird nicht auf die nach Absatz 1 zulässige Befristungsdauer angerechnet. Sie soll in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1, 2 und 5 die Dauer von jeweils zwei Jahren nicht überschreiten.