Verlängerte Kündigungsfrist in der Probezeit wirksam?
Verlängerte Kündigungsfrist in der Probezeit wirksam?

Mit Urteil vom 06.05.2015 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg die Frage zu beantworten, ob eine Kündigung, die in der Probezeit nicht zum nächst möglichen Termin, sondern mit einer langen Kündigungsfrist ausgesprochen wurde, rechtsunwirksam sein kann.

Ebenso wie das Arbeitsgericht Stuttgart mit seiner Entscheidung vom 02.10.2014, Az.: 6 Ca 1800/14, kam das LAG zu dem Ergebnis, dass dann von keiner unzulässigen Umgehung des Kündigungsschutzes auszugehen ist, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll und wies die Berufung des Klägers zurück.

 

Kein Kündigungsschutz in den ersten sechs Monaten

 

Während der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG besteht für den Arbeitgeber Kündigungsfreiheit.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der der Arbeitnehmer während der ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt.

Eine solche treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts liegt zum Beispiel dann vor, wenn die Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit erklärt wird, um den Erwerb des allgemeinen Kündigungsschutzes zu vereiteln. Von einem solchen Fall aber sei, so das LAG, in dem am 06.05.2015 entschiedenen Fall nicht auszugehen gewesen. 


Einräumung einer Bewährungschance ermöglicht Kündigung während der Probezeit mit verlängerter Kündigungsfrist

 

Hintergrund für die Entscheidung sei gewesen, dass der Arbeitgeber dem Kläger eine „Bewährungschance“ einräumen, aber andererseits nicht so lange warten wollte, bis der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes KSchG) hat. 

Der Arbeitgeber hatte dem Kläger zum Ende der Probezeit gekündigt, allerdings nicht mit der 14-tägigen Kündigungsfrist, wie dies rechtlich möglich gewesen wäre, sondern mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende. Damit wollte er dem Kläger die Möglichkeit einer mehrwöchigen Bewährung einräumen, nachdem er zunächst mit seiner Aufgabe, Kundenakquise zu betreiben, wenig erfolgreich war.

In dem Kündigungsschreiben hatte er weiter zum Ausdruck gebracht, dass er dem Kläger eine „Bewährungschance“ geben möchte.

 

LAG sieht keine Gefahr für Missbrauch 

 

Da die Beklagte im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt hat, so die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg, dass der Kläger die Probezeit nicht bestanden habe, erscheine angesichts der unbestrittenen Fehlanzeige bei der Kundenakquise keineswegs willkürlich.

Ebenfalls sei im Kündigungsschreiben ausdrücklich ausgeführt, dass die Beklagte dem Kläger mit der langen Kündigungsfrist eine Bewährungschance gewähren möchte und die Beklagte für den Fall der Bewährung bereit wäre, mit dem Kläger über einen anschließenden neuen Arbeitsvertrag zu sprechen.

Da durch die Einräumung einer Bewährungschance die verlängerte Kündigungsfrist weder ausschließlich noch überwiegend im Interesse der Beklagten lag, vielmehr die Beklagte überwiegend Rücksichtnahme auf die beruflichen und sozialen Belange des Klägers nehmen wollte, erachtete das LAG die dem Kläger noch während der Probezeit ausgesprochene Kündigung mit verlängerter Kündigungsfrist für rechtens und nicht angreifbar da zum Zeitpunkt des Kündigungszugang die Bestimmungen des KSchG noch keine Anwendung fanden.

 

Anmerkung: 

 

Auf den ersten Blick erscheint der Gedanke nicht fernliegend, dass die Beklagte dem Kläger kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG deshalb mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis kündigte, um ihm nicht die Möglichkeit zu geben, im Falle einer über sechs Monate hinausgehenden Beschäftigung und einer dann erfolgenden Kündigung, gegen diese zu klagen.

Da der Kläger in den ersten Monaten seiner Tätigkeit so gut wie erfolglos Kundenakquise betrieb, ist nach der Rechtsprechung des BAG eine faktische und überschaubare Probezeitverlängerung grundsätzlich denkbar. Ob dies aber in Form einer Kündigung mit dreimonatiger Kündigungsfrist, kurz bevor das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, möglich ist, erscheint fraglich, da hierdurch die kündigungsschutzrechtlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften umgangen werden. 

Zu der Frage, ob eine Verlängerung der Kündigungsfrist im Rahmen einer Kündigung während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses zulässig ist, hat sich das BAG, so weit ersichtlich, noch nicht geäußert. Es wäre wünschenswert, wenn diese Frage höchstrichterlich geklärt würde. Schade, dass das LAG Baden-Württemberg die Revision zum BAG nicht zugelassen hat, um eben diese Frage auf den Prüfstand zu stellen. 

 

Hier kommen Sie zum vollständigen Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 6.5.2015, Az: 4 Sa 94/14

Kündigungsschutzgesetz (KSchG) § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen