Arbeitsvertrag mit Tarifbindung

Die Klägerin ist seit Jahrzehnten als Medizinisch-Technische Assistentin an einem Kreiskrankenhaus beschäftigt. In dem zuletzt gültigen Arbeitsvertrag mit dem Landkreis war eine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BAT bzw. den ersetzenden TVöD enthalten. Danach sollte der Tarifvertrag in der jeweils geltenden Form auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. 

Nach der Rechtsprechung gilt diese Bezugnahme in älteren Arbeitsverträgen jedoch grundsätzlich nur solange, wie der Arbeitgeber selber tarifgebunden ist und der Tarifvertrag deshalb für alle Gewerkschaftsmitglieder Anwendung findet („Gleichstellungsabrede“).

Zuerst die Auslagerung …

Im Jahr 2002 wurde das Krankenhaus vom Landkreis auf eine neu gegründete Krankenhausgesellschaft übertragen. Diese Betriebsnachfolgerin war zunächst auch Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband und damit tarifgebunden. 

… dann die Tarifflucht

2007 erfolgte dann jedoch der Austritt aus dem Arbeitgeberverband und ab diesem Zeitpunkt wurde der Tarifvertrag dann nur noch statisch, d.h. ohne nachfolgende Tarifänderungen und Tariferhöhungen angewendet. 

Die Beschäftigten erhielten somit seitdem keinerlei tarifliche Gehaltserhöhungen mehr.

Teure Nachzahlung

Das war nach dem vorliegenden Urteil des LAG unzulässig und rechtswidrig, denn es gab im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang auf den neuen Krankenhausträger einen Personalüberleitungsvertrag zwischen dem Landkreis, der Gewerkschaft und dem Personalrat. Dort war ausdrücklich geregelt, dass auf die vom Landkreis übernommenen Arbeitnehmer*innen auch künftig der BAT oder diesen ersetzende Tarifverträge Anwendung finden sollten.

Das LAG hat diese Regelung richtigerweise als einen „Vertrag zugunsten Dritter“ ausgelegt. D.h., die betroffenen Arbeitnehmer*innen können sich auf diese Zusage im Personalüberleitungsvertrag berufen, obwohl sie an diesem Vertragsabschluss nicht beteiligt waren. 

Im Ergebnis hat das Gericht damit der Klägerin sämtliche Tariferhöhungen aus dem TVöD seit 2008 (insgesamt fast 15.000 €) zugesprochen.

Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, sondern in 3. Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig (4 AZR 202/15). 

In dem Revisionsverfahren wird voraussichtlich auch die Frage eine Rolle spielen, ob diese dynamische Fortgeltung der Tarifverträge, von der die deutsche Rechtsprechung auch bei einem Betriebserwerber ausgeht, mit der EU-Richtlinie zu Betriebsübergängen vereinbar ist. 


Es ist zu hoffen, dass der EuGH die bisherige Rechtsprechung des BAG bestätigen wird. Aber das ist wieder ein anderes Thema …

Das vollständige Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom 24.03.2015 können Sie hier nachlesen.

Lesen Sie hier die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Beschluss vom 17. Juni 2015, 4 AZR 61/14 (A).