"Missbrauch des Werkvertrages durch Arbeitgeber" Dr. Till Bender, Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur, Bamberg
"Missbrauch des Werkvertrages durch Arbeitgeber" Dr. Till Bender, Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur, Bamberg

Die Aushöhlung des Normalarbeitsverhältnisses schreitet voran. Nach Befristungen und Leiharbeit haben die Arbeitgeber mit dem Werkvertrag einen neuen Weg gefunden, zwingende Schutzmechanismen des Arbeitsrechts auszuhebeln. Ob sie damit durchkommen, steht auf einem anderen Blatt.


Wie konnte es dazu kommen? Nachdem die Leiharbeit zunehmend unattraktiv wird, bedienen sich viele Unternehmer der Konstruktion des Werkvertrages, um die Preise zu drücken. Mit dem Werkvertrag wird ein nicht sachgemäßes Instrument genutzt.

Herkunft des Werkvertrages


Der Werkvertrag passt für selbstständige Handwerker, Architekten und ähnliche, die einen eigenen Entscheidungsspielraum haben und durch ihre Fachkunde ein bestimmtes Werk herstellen. Deswegen dürfen sie erst dann Geld verlangen, wenn das Werk fertig ist. Sie tragen das wirtschaftliche Risiko, aber auch die Chancen. Für Arbeitnehmer, die in einen Betrieb eingegliedert sind, passt diese Regelung nicht.

Trotzdem versuchen viele Unternehmen, genau dieses Konstrukt für sich zu nutzen, um das wirtschaftliche Risiko auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Wenn man den vom Gesetz vorgesehenen Entscheidungsspielraum nur eng genug zieht, scheint formell jedes Arbeitsverhältnis auch als Werkvertrag durchzugehen.

Missbrauch des Werkvertrages


Man mag sich nur mal den eigenen Arbeitsplatz ansehen: Hat da nicht jeder eine Vielzahl von Erfolgen? Einen Text verfasst? - Erfolg! Eine Maschine repariert? - Erfolg! Ein Fenster geputzt? - Erfolg! Ein Telefonat geführt? - Erfolg!

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Klar ist eines: Man kann jeden Handschlag als Erfolg einordnen, also kann man theoretisch auch einen Vertrag hierüber abschließen. In der Praxis kann das dann etwa so aussehen:
Ein Gastwirt schließt mit seiner Servierkraft einen Rahmenvertrag darüber, dass diese sich in einer bestimmten Zeit (während der Öffnungszeiten des Lokals) in diesen Räumlichkeiten aufhält und sich dort bereit hält, eine unbestimmte Zahl von Werkverträgen abzuschließen und zu erfüllen.

Gibt dann ein Gast eine Bestellung, etwa über ein Glas Bier auf, so erhält die Servicekraft den Auftrag, das Glas an den Tisch zu bringen. Hat sie das getan, wird sie für ihren „Erfolg“ entlohnt.

Folgen des Missbrauchs


Durch diese Konstruktion ist die Servicekraft als Werkunternehmerin nicht sozialversichert. Außerdem wird sie nur für tatsächliche Leistungen entlohnt. Hat sie mal nichts zu tun, etwa weil keine Gäste da sind oder erbringt sie die Leistung nicht ordnungsgemäß, wenn zum Beispiel das Glas nicht am Tisch ankommt sondern vorher kaputt geht, dann besteht auch kein Anspruch auf Entlohnung. In beiden Fällen handelt es sich um typische Risiken des Unternehmers, die dieser auf die Servicekraft abwälzt.

Selbstverständlich gelten auch keine Tarifverträge, Mindestlöhne oder andere Schutzregeln wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub.

Was ist zu tun?


Nun ist das gewählte Beispiel ein so krasser Missbrauch, dass es kaum ein Arbeitsgericht geben dürfte, das einem Beschäftigten, der gegen eine solche Behandlung klagt, den Beistand verweigern würde, aber: „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Darauf setzen die Unternehmer, die sich solcher Methoden bedienen. Man sollte sie damit nicht durchkommen lassen!

Wer wie ein Werkunternehmer behandelt wird, obwohl er ein Arbeitnehmer ist, sollte die ihm zustehenden Rechte einklagen. Als Betriebsrat muss man darauf achten, die Ausbreitung von Werkverträgen im Betrieb zu verhindern. Und auch politisch müssen diese Formen der Lohngestaltung geächtet und bekämpft werden. Wenn dies geschieht, bestehen gute Chancen, den Missbrauch von Werkverträgen, ähnlich wie bei der Leiharbeit, zu verhindern.


Exkurs: Ersatz der Leiharbeit durch Werkverträge


Ein weiteres Einsatzgebiet für Werkverträge sind die Bereiche der alten Leiharbeit. Diese ist aus oben genannten Gründen zunehmend unattraktiv geworden, da die Lohndrückerei aufgrund von „equal-pay“-Ansprüchen und Branchenzuschlägen beschränkt wurde. Auch hier kommen jetzt Werkunternehmer ins Spiel.

Dabei geht es nicht mehr darum, fremde Serviceleistungen einzukaufen (Wie etwa Reinigungsdienste), sondern im Kernbereich der eigenen Tätigkeit fremde Kräfte zu beschäftigen. Diese Form des Subunternehmertums ist besonders in der Nahrungsmittelindustrie recht verbreitet. Der Unternehmer, etwa ein Schlachtunternehmen, beauftragt dabei ein anderes, in seinen Hallen bestimmte Leistungen zu erbringen, wobei es nach „Erfolg“ (Kilogramm Fleisch, das zerlegt, verpackt o.ä. wird) bezahlt wird. Die einzelnen Vorgaben erhält dann der Vorarbeiter des Subunternehmers vor Ort und gibt sie an seine Untergebenen weiter. Dieser Vorarbeiter ist dann aber auch das einzige, was den Werkunternehmer vom Entleiher unterscheidet, es soll eine Eigenständigkeit vorgegaukelt werden.

 

 

Dr. Till Bender

Rechtsschutzsekretär, Bamberg

Rechtliche Grundlagen

Werkvertrag, was ist das?

Beim Werkvertrag schuldet Werkunternehmer einen Erfolg. Damit unterscheidet sich dieser Vertrag vom Arbeitsvertrag, bei dem die Tätigkeit selbst geschuldet wird. Das ist die entscheidende rechtliche Unterscheidung: Hier Ergebnis, da Tätigkeit.

Beispiele für einen Werkvertrag sind Handwerkerleistungen. Hier wird zum Beispiel die Reparatur oder die Konstruktion einer Sache geschuldet. Nur wenn die Reparatur erfolgreich war, besteht ein Anspruch auf Bezahlung.

Wenn nun ein Unternehmer Mitarbeiter erfolgsabhängig bezahlt, wälzt er das unternehmerische Risiko auf diesen ab. Der Mitarbeiter haftet nicht nur für den Erfolg, sondern auch dafür, dass überhaupt etwas zu tun ist. Dies darf nicht sein!

Wer als Werkunternehmer beschäftigt ist, hat außerdem keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen. Wenn er keinen Erfolg vorweist, bekommt er keinen Lohn. Hier werden zwingende Schutzrechte unterlaufen!

Die Abgrenzung ist zwar juristisch strikt, tatsächlich jedoch oft schwer zu treffen: Zum Erreichen eines Erfolges ist Tätigwerden nötig und jede Tätigkeit ist auf einen Erfolg gerichtet. Diese Grauzone nutzen die Unternehmen aus.