Die Arbeitgeberin ist ein metallverarbeitendes mittelständisches Unternehmen in Niedersachsen und beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter. Unser Kollege war bereits einige Jahre Mitglied des seit langem bestehenden Betriebsrats. Unter dem Vorwand der wirtschaftlichen Notwendigkeit kündigte die Arbeitgeberin Anfang 2013 an, einige Arbeitnehmer entlassen und dafür Sozialplanverhandlungen aufnehmen zu wollen. Dem Betriebsrat wurden Namenslisten vorgelegt, aus denen sich ergab, dass die Arbeitgeberin eher eine „Personalsäuberung“ plante, das heißt Kündigungen von Kranken, Kritikern, Betriebsratsmitgliedern und so weiter. Damit war der Betriebsrat natürlich nicht einverstanden. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin mit, dass sie die Verhandlungen abbrechen und von den Entlassungen Abstand nehmen werde. Die wirtschaftlichen Zwänge waren wohl doch nicht so gravierend. Die Gerüchteküche brodelte dennoch, bis unser Kollege mit dem Vorwurf der Arbeitgeberin konfrontiert wurde, der Belegschaft Namenslisten offengelegt und damit erheblich gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen zu haben. 

Gescheiterter Kündigungsversuch

Die Arbeitgeberin beantragte Ende Februar 2013 bei dem Betriebsrat die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung unseres Kollegen, die jedoch verweigert wurde. Daraufhin wurde die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats bei dem Arbeitsgericht Hannover beantragt, was ebenfalls scheiterte. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen erging im März 2014 ein abweisender Beschluss. Die Entscheidung wurde absolut zutreffend damit begründet, dass selbst bei Richtigkeit des Vorwurfs der Arbeitgeberin die Offenlegung der Namensliste von Amtsbefugnissen des Kollegen gedeckt sei, da „das Vorgehen in erster Linie darauf gerichtet war, die Einhaltung der Unterrichtungs- und Informationsrechte der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat sicherzustellen“. Das Individualarbeitsverhältnis sei von dem Vorwurf nicht tangiert, da unser Kollege allenfalls in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied gehandelt habe, so dass letztendlich kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege. 

Umfangreiche Angriffe des Arbeitgebers

Um ihrer Drohgebärde in Form von versuchter außerordentlicher Kündigung Nachdruck zu verleihen, hat die Arbeitgeberin parallel zu dem Zustimmungsersetzungsverfahren eine regelrechte Offensive gegen unseren Kollegen gestartet.

Die Anträge auf Freizeitausgleich für sein Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto wurden im Jahr 2013 auf einmal stets abgelehnt – Erfüllung erst nach Einreichen der Klage in Form eines Vergleichs.

Im April 2013 bekam unser Kollege zum ersten Mal seit 12 Jahren seiner Beschäftigung in diesem Unternehmen eine Abmahnung wegen „Unerlaubten Entfernens vom Arbeitsplatz“ – Hintergrund dieser Geschichte war ein Aushang der Arbeitgeberin, dass ab sofort alle Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes, unabhängig von dem Grund, sich beim Vorgesetzten abzumelden haben. Die Tatsache, dass solche Regelungen nach § 87 I Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mitbestimmungspflichtig sind, begriff die Arbeitgeberin erst nach Bekräftigung durch das Gericht und entfernte die Abmahnung wiederum erst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs.

Zwischenzeugnis muss korrigiert werden

Auf den Wunsch unseres Kollegen auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses wurde Ende August 2013 ein Zwischenzeugnis mit einer Gesamtbewertung 4-5 und  Sätzen wie „Prinzipiell strebt Herr ... ein kooperatives Auftreten an“ erteilt. Die Kurzsichtigkeit der Arbeitgeberin an dieser Stelle ist einfach nicht zu überbieten, denn mit einem so schlechten Arbeitszeugnis kann sich auch ein unerwünschter Arbeitnehmer beim besten Willen nicht wegbewerben. – Einigung auf wohlwollende Formulierungen erst nach Klageeinreichung in einem Vergleich.

Im November 2013 war die jährliche Sonderzahlung in Höhe eines halben Gehaltes fällig, nur nicht für unseren Kollegen. Die Arbeitgeberin zahlte nur 50 % aus und behauptete vor Gericht, trotz zahlreicher außergerichtlicher Korrespondenz, dass es ein Versehen war – Erfüllung noch vor dem Gütetermin. 

Verletzung von Mitbestimmungsrechten

Im Januar 2014 kündigte die Arbeitgeberin an, die Auszahlungsmodalitäten des monatlichen Entgelts ändern zu wollen. Den dezenten Hinweis des Betriebsrates, dass auch diese Angelegenheit gemäß § 87 I Nr. 4 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei, ignorierte sie schlicht und zahlte das Januargehalt unseres Kollegen statt zum 31.01.2014 erst am 05.02.2014. Da absehbar war, dass dieser Zahlungsmodus beibehalten werden soll, war der Weg zum Arbeitsgericht unvermeidbar. Dabei ist der Leistungsantrag auf Zahlung der Verzugszinsen und Dispozinsen als Schadensersatz erfolgreich gewesen, die Arbeitgeberin zahlte. 

Im März 2014 musste gerichtlich die Entfernung von zwei Ermahnungen aus der Personalakte unseres Kollegen durchgesetzt werden – mit Erfolg. Für die Ermahnungen gelten nach der Rechtsprechung dieselben Maßstäbe wie für die Abmahnungen, so dass eine Ermahnung, wenn sie zu unbestimmt ist oder eine nicht betriebsverfassungsgesetzkonforme Abmeldepflicht zum Inhalt hat, sie auch aus der Personalakte zu entfernen ist.

Im April und Mai 2014 erteilte die Arbeitgeberin unserem Kollegen weitere vier Abmahnungen, die allesamt unbegründet sind. Das Klageverfahren verlief erfolgreich und endete mit der Verpflichtung zur Rücknahme der Abmahnungen.

Kommentar der Redaktion

Sie fragen sich jetzt bestimmt, wie man eine solche Tortur aushält? Mit dem Bewusstsein nichts falsch gemacht zu haben - weder als Betriebsratsmitglied noch als Arbeitnehmer – und mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes. Leider helfen bei solchen mit Sicherheit beratungsresistenten Arbeitgebern auch keine außergerichtlichen Anschreiben und Geltendmachungen, sie beugen sich erst dem richterlichen Machtwort. Ein Trost an dieser Stelle ist die Kostenregelung in der Arbeitsgerichtsbarkeit, die Anwälte solcher Arbeitgeber kommen immer auf einen grünen Zweig und das sei ihnen gegönnt.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 19.3.2014, 2 TaBV 95/13