Grobe Pflichtverletzungen können zur Auflösung des Betriebsrates führen. Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main
Grobe Pflichtverletzungen können zur Auflösung des Betriebsrates führen. Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main

In einer Medienmitteilung berichtet Dr. Eberhard Natter, Präsident des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg über die Auflösung des Betriebsrats bei der Fa. Kärcher, einem baden-württembergischen Reinigungsspezialisten, wegen grober Pflichtverletzung. 

 

Zu dieser Entscheidung kam es nachdem die IG Metall ein Beschlussverfahren gegen den Betriebsrat beim Arbeitsgericht Stuttgart mit dem Ziel der Auflösung des Betriebsrats einleitete. Bereits erstinstanzlich wurden die groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats festgestellt (Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 24. Juli 2013; Az.: 20 BV 13/13). Gegen diesen Beschluss wurden durch den Arbeitgeber und den Betriebsrat Beschwerden beim LAG Baden- Württemberg eingelegt, welches die Beschwerden durch Beschluss vom 13. März 2014, Az: 6 TaBV 5/13, zurückwies.

Hans-Martin Wischnath - Frankfurt am Main

Die Gründe die zur Auflösung des Betriebsrats führten kann der nachstehend im Original abgedruckten Medienmitteilung des Präsidenten des LAG Baden-Württemberg entnommen werden:

 

LANDESARBEITSGERICHT DER PRÄSIDENT
Medienmitteilung vom 13. März 2014

Auflösung des Betriebsrats bei der Firma Kärcher

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden der Firma Kärcher und deren Betriebsrat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2013 (20 BV 13/13) zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt, indem er zumindest im Jahr 2012 keine dem Gesetz entsprechenden Betriebsversammlungen und Abteilungsversammlungen durchgeführt habe.

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat einmal im Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Arbeitnehmer organisatorisch oder räumlich abgegrenzter Betriebsteile sind vom Betriebsrat zu Abteilungsversammlungen zusammenzufassen, wenn dies für die Förderung der besonderen Belange der Arbeitnehmer erforderlich ist. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Betriebsrat in jedem Kalenderjahr zwei der vier Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlungen durchzuführen. Auf Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft muss der Betriebsrat vor Ablauf von zwei Wochen nach Eingang des Antrags eine Betriebsversammlung einberufen, wenn im vorhergegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung und keine Abteilungsversammlungen durchgeführt worden sind. Zeitpunkt und Tagesordnung der Betriebs- oder Abteilungsversammlungen sind den im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften rechtzeitig schriftlich mitzuteilen.

 

Das Landesarbeitsgericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Betriebsrat bei der Firma Kärcher gegen diese Pflichten vorsätzlich verstoßen hat. So habe der Betriebsratsvorsitzende ohne Beschluss des Betriebsrats am 05.11.2012 dem 1. Bevollmächtigten der IG Metall Verwaltungsstelle Waiblingen mitgeteilt, am 11.12.2012 finde in der Hermann-Schwab- Halle in Winnenden eine Betriebsversammlung statt. Am 22.11.2012 habe der Betriebsrat beschlossen, diese Betriebsversammlung nicht durchzuführen. Dies sei der IG Metall erst am 26.11.2012 mitgeteilt worden. Zu der vom Betriebsrat behaupteten Betriebsversammlung, die der Jahresfeier der Firma Kärcher in der Alfred-Kärcher-Halle der Stuttgarter Messe am 23.11.2011 vorangegangen sei, sei die IG Metall nicht eingeladen worden. Diese Veranstaltung habe genauso wenig wie die vom Betriebsrat behaupteten Abteilungsversammlungen die Voraussetzungen einer Betriebsversammlung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes erfüllt. Aus dem Redeauszug des Betriebsratsvorsitzenden auf der Veranstaltung am 23.11.2011 folge die Absicht des Betriebsrats, die IG Metall aus der Firma Kärcher fernzuhalten. Ein Betriebsrat, der so zielgerichtet im Gesetz verankerte Rechte einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft vereitele, sei nicht mehr tragbar und müsse aufgelöst werden.

 

Der Betriebsratsvorsitzende erklärte in der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht, er wisse nicht, ob die Amtszeit des Betriebsrats abgelaufen sei. Deshalb könne nicht entschieden werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Amtszeit des Betriebsrats könne noch nicht beendet sein.

Rechtliche Grundlagen

Unterrichtungspflicht Gewerkschaft. Ein BR-Mitglied reicht aus!

Dass sich Gewerkschaften und Betriebsräte vor Gericht treffen ist selten und stellt eine Ausnahme dar. In dem von der IG Metall eingeleiteten Beschlussverfahren handelt es sich um eine solche Ausnahme. Wie der Medienmitteilung entnommen werden kann wurde in der entschiedenen Sache ganz gezielt versucht die Rechte der IG Metall „auszuhebeln“. Offenkundig hat der Betriebsratsvorsitzende, der kein Mitglied der IG Metall ist immer einen großen Bogen um Schulungen für Betriebsräte gemacht, den sonst hätte er folgendes wissen müssen:

Wenn wenigstens ein BR-Mitglied Mitglied einer Gewerkschaft ist, ist der BR-Vorsitzende bzw. im Verhinderungsfall sein Stellvertreter verpflichtet, dieser Gewerkschaft den Zeitpunkt und die Tagesordnung der Betriebs- oder Abteilungsversammlungen rechtzeitig und schriftlich mitzuteilen (natürlich auch den Ort soweit nicht hinlänglich bekannt). Die Unterrichtungspflicht besteht hinsichtlich aller Betriebs- und Abteilungsversammlungen. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Verpflichtung aus § 46 (2) BetrVG kann eine grobe Pflichtverletzung i. S. d. § 23 Abs. 1 BetrVG sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Unterrichtung sowohl schriftlich als auch rechtzeitig erfolgen muss. D. h., dass der im BR vertretenen Gewerkschaft Ort, Zeitpunkt und Tagesordnung der Betriebs- oder Abteilungsversammlung so frühzeitig bekannt gegeben werden müssen, dass sie noch ausreichend Gelegenheit hat, sich auf die Versammlung und die zu erörternden Themen terminlich und sachlich einzustellen.

Gemäß § 46 (1) BetrVG haben die Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften über den allgemeinen Zugang zum Betrieb nach § 2 (2) BetrVG hinaus das Recht, an allen Betriebs- oder Abteilungsversammlungen teilzunehmen. In diesen Fällen bedarf es auch keiner vorherigen Anmeldung beim Arbeitgeber (§ 46 BetrVG ist in dieser Angelegenheit weitergehend als § 2 Abs. 2 BetrVG) oder gar einer Genehmigung durch den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann einem Beauftragten einer im Betrieb vertretenen Gewerkschafts die Teilnahme an der Betriebs- oder Abteilungsversammlung nicht verwehren, solange dieser nicht nachweislich den Betriebsfrieden nachhaltig stört.

Wen die Gewerkschaft als Beauftragten zu einer Betriebs- oder Abteilungsversammlung entsenden will, entscheidet sie selbst. Der Gewerkschaftsbeauftragte nimmt an der Betriebs- oder Abteilungsversammlung beratend teil, d. h. er kann das Wort ergreifen und zu den anstehenden Themen Stellung nehmen. Auch der Versammlungsleiter hat nicht das Recht, den Beauftragten der Gewerkschaft das Rederecht zu verwehren.