Die Grenzen zur unzulässigen Wahlbeeinflussung sind fließend, warnt Dr. Till Bender
Die Grenzen zur unzulässigen Wahlbeeinflussung sind fließend, warnt Dr. Till Bender

Diese Erfahrung musste auch ein Betriebsrat einer oberfränkischen Zuliefererfirma machen, dem das Verhalten eines einzelnen Bewerbers zum Verhängnis wurde.

Bier für Stimmen:

Der Betriebsrat hatte die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) eingeleitet. Hierfür hatten sich mehrere Bewerber zur Verfügung gestellt, unter anderem der Auszubildende A. Dieser hatte sich Gedanken gemacht, wie er die Wähler dazu bringen könnte, ihn zu wählen und war auf einen Gedanken gekommen, der aus seiner Weltsicht heraus einleuchtend gewesen sein muss: Er versprach jedem, der ihn wählen würde, einen Kasten Bier.

Ob es nun an diesem Versprechen lag oder an anderen Faktoren – der Kandidat A wurde in die JAV gewählt. Das Unternehmen nahm dies zum Anlass, die Wahl anzufechten. Zudem wurde die Verletzung diverser Formvorschriften gerügt.

Zulässige Wahlwerbung...

Im gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht in Coburg musste nun entschieden werden, ob es sich um zulässige Wahlwerbung oder um unzulässige Wahlbeeinflussung handelt. Entscheidend ist dabei die Vorschrift des § 20 BetrVG, nach der niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen darf.

Dabei geht die Rechtsprechung selbstverständlich davon aus, dass es zum Wesen jeder Wahl gehört, dass die Wahlbewerber die Wähler in ihrem Sinne beeinflussen. Gemeint ist dabei natürlich der Kampf um die besseren Argumente, also um eine sachliche Beeinflussung. Auch kleinere Wahlgeschenke, wie man sie auch aus Bundestagswahlkämpfen kennt, sind in der Regel unproblematisch. Niemand wird ernsthaft davon ausgehen, dass jemand die Wahlentscheidung von einem geschenkten Kugelschreiber oder Luftballon abhängig macht.

In diese Richtung argumentierte auch der Betriebsrat und sein Prozessvertreter von der DGB-Rechtsschutz GmbH: Zum einen sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem JAV‑Bewerber um einen Jugendlichen gehandelt habe, von dem man nicht verlangen könne, die fließenden Grenzen zwischen Wahlwerbung und Beeinflussung zu kennen und der deshalb etwas über das Ziel hinausgeschossen sei.

Zum anderen sei der Versuch der Wählergewinnung durch Bier derart durchschaubar, dass sich kein Wahlberechtigter davon hätte beeinflussen lassen. Man könne den Wählern zutrauen, dass sie dieses unsachliche Verhalten durchschauen und sich nicht davon beeinflussen lassen.

...oder verbotene Einflussnahme?

Das Arbeitsgericht sah dies jedoch anders und gab dem Arbeitgeber Recht. Es sah in dem Verhalten des JAV-Kandidaten eine unzulässige Beeinflussung der Wähler. Es sei unzulässig, jemandem für die Stimmabgabe eine Gegenleistung zu versprechen. Hier liege der Fall anders als bei den Wahlgeschenken, die bedingungslos verteilt werden. Es handele sich auch nicht um ein legitimes Wahlargument im Sinne einer sachlichen Auseinandersetzung, sondern diene alleine der Manipulation der Wähler.

Das Verbot der Wahlbeeinflussung diene zudem auch der Integrität der Wahl, die allein auf der freien Entscheidung der Wahlberechtigten beruhen solle. Daher sei bereits jeder Anschein einer Wahlbeeinflussung zu vermeiden.

Es sei auch nicht auszuschließen, dass dieses Wahlversprechen die Wahl beeinflusst habe, da der Kandidat ja schließlich gewählt worden sei. Es sei durchaus möglich, dass sich der eine oder andere von dem Versprechen auf einen Kasten Bier habe leiten lassen. Ohne diese Einflussnahme sei die Wahl möglicherweise anders ausgegangen.

Und das Ende vom Lied

Das Gericht erklärte die Wahl deshalb für ungültig, sie musste wiederholt werden. Dabei kam es dem Gericht entscheidend auf die Wahlbeeinflussung an, die ebenfalls festgestellten Verstöße gegen Formvorschriften sah es als weniger gravierend an.

Auch wenn man über diese Entscheidung geteilter Meinung sein kann, die Argumente des Gerichts sind nicht von der Hand zu weisen. Ärgerlich war in diesem Fall für den Betriebsrat und die JAV vor allem, dass ihnen das Verhalten eines Dritten zum Verhängnis wurde. Der Betriebsrat sollte also immer auch ein Auge auf das Verhalten der Bewerber haben, damit nicht am Ende eine böse Überraschung lauert. Ob der Kandidat tatsächlich Bier an seine Wähler verteilt hat, ist gerichtlich übrigens nicht geklärt worden.

Dr. Till Bender,
Nürnberg

Rechtliche Grundlagen

§ 20 BetrVG - Wahlschutz und Wahlkosten

(1) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden.

(2) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen.

(3) Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Ausübung des Wahlrechts, zur Betätigung im Wahlvorstand oder zur Tätigkeit als Vermittler (§ 18a) erforderlich ist, berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts.