Betriebsratslose Zeit durch fehlerhafte Beratung?  (Bildquellenangabe: Gabi Eder  / pixelio.de)
Betriebsratslose Zeit durch fehlerhafte Beratung? (Bildquellenangabe: Gabi Eder / pixelio.de)

Bei einer von fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern angegriffenen Betriebsratswahl stellte das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder Verletzungen der Neutralitätspflicht des Wahlvorstands fest, was sodann zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führte.

Was war geschehen?

Am 15. Januar 2014 erließ der Wahlvorstand das Wahlausschreiben. Auf der Vor- und Rückseite trug das Wahlausschreiben rechts oben Namen und Logo einer Gewerkschaft und links oben daneben die Aussage: „Deine Wahl. Mitdenken. Mitbestimmen. Mitmachen.“

Am 11. Februar 2014 wurde das Wahlausschreiben  an 14 Standorten im Betrieb  ausgehängt.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2014, ausgehängt am 3. März 2014, machte der Wahlvorstand die beiden gültigen Vorschlagslisten bekannt. Dies waren die Vorschlagsliste 1 mit 21 Wahlbewerbern sowie die Vorschlagsliste 2 mit einem Wahlbewerber. Das Schreiben entsprach hinsichtlich Gewerkschaftsnamen, Logo und der daneben angebrachten Aussage dem Wahlausschreiben. Die Wahlbewerber der Liste 1 sind untereinander aufgeführt und fortlaufend durchnummeriert.

Am 18. und 19. März 2014 tauschte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben und die Bekanntmachung der gültigen Vorschlagslisten jeweils gegen inhaltlich gleichlautende Schreiben aus, auf denen das  Gewerkschaftslogo und die zitierte Aussage nicht  mehr angebracht waren.

In dem Zeitraum vom 26. bis 28. März 2014  wurde die Betriebsratswahl durchgeführt.

Am 28. März 2014 führte der Wahlvorstand die öffentliche Stimmauszählung durch  und errichtete die Wahlniederschrift. Von 440 abgegebenen Wahlumschlägen waren 373 Stimmen gültig. Hiervon entfielen 297 Stimmen auf die Vorschlagsliste 1, 76 Stimmen auf die Liste 2. Bei der Verteilung der Betriebsratssitze auf die Listen ermittelte der Wahlvorstand eine Höchstzahl von 27 als ausreichend für den  Einzug in den  Betriebsrat.

Mit Aushang vom 03. April 2014 machte der Wahlvorstand die Namen der 11 gewählten Betriebsräte bekannt, darunter den Kandidaten der Liste 2.

Wahlanfechtung durch fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer

Mit der am 04. April 2014 bei Gericht  eingegangenen Antragsschrift machen fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer die Nichtigkeit, hilfsweise die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend. Insbesondere sahen die Antragsteller in der Gestaltung des  Wahlausschreibens, der Bekanntmachung der gültigen Vorschlagslisten sowie der Briefwahlunterlagen einen Verstoß gegen das Gebot an den Wahlvorstand, sich gegenüber Wählern und Wahlbewerbern neutral zu verhalten. 

Die Gestaltung der Schreiben stelle eine  unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Das Wahlausschreiben sei bei objektiver Betrachtung geeignet, mögliche Wahlbewerber und Wähler  von der Kenntnisnahme des  Ausschreibens abzuhalten. Der besonders schwerwiegende und sich jedermann aufdrängende Verstoß gegen das  Neutralitätsgebot führt nach ihrer Auffassung zur Nichtigkeit der Wahl.

Der Betriebsrat  beantragte, den  Antrag zurückzuweisen und begründet dies damit, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der Wahl nicht  gegeben seien. Insbesondere weise  das  Wahlausschreiben den  in der Wahlordnung geforderten Mindestinhalt auf. Das Gewerkschaftslogo sei völlig unbedenklich und stelle im Ergebnis eine  zulässige Wahlwerbung dar. Jedenfalls fehle  ein Bezug zu dem Wahlergebnis. In diesem  Zusammenhang verwies er auf die kollektive Koalitionsfreiheit und auf das  Recht  Gewerkschaften zu bestimmen, wen sie mit Wahlwerbung betrauen.

Arbeitsgericht erklärt Wahl für unwirksam

In seiner Entscheidung kam das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder zu dem Ergebnis, dass die Nichtigkeit der Wahl zwar nicht gegeben ist, hielt jedoch den Anfechtungsantrag für zulässig und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

„Mit dem Aufbringen des  Gewerkschaftslogos auf das  Wahlausschreiben und die weiteren Unterlagen hat der Wahlvorstand gegen die ihn treffende Neutralitätspflicht verstoßen. Der Austausch des  Wahlausschreibens ist keine hinreichende Berichtigung. Die Beeinflussung des  Wahlergebnisses kann nicht  mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. 

Der Wahlvorstand hat  mit dem  Aufbringen des  Gewerkschaftslogos auf Wahlausschreiben und die weiteren Unterlagen wesentliche Vorschriften über  das  Wahlrecht und das Wahlverfahren verletzt“.

Gegen diese Entscheidung des Arbeitsgericht  Frankfurt/Oder, die an Deutlichkeit im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl nichts zu wünschen übrig ließ, legte der Betriebsrat das Rechtsmittel der Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg ein.

LAG bestätigt Auffassung des Arbeitsgerichts-Beschwerdeführer erklärt ohne Not Rücknahme der Beschwerde und hinterlässt betriebsratslosen Betrieb

In der am 10.12.2014 vor der 24. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg durchgeführten Kammerverhandlung gab der Vorsitzende Richter unmissverständlich zu erkennen, dass der Beschwerdeführer (Betriebsrat) nicht davon ausgehen kann, dass das LAG der Beschwerde abhelfen wird. Hieraufhin erklärte der Beschwerdeführer die Rücknahme der Beschwerde. Damit war das Anfechtungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen und es besteht eine betriebsratslose Zeit, die man unschwer hätte vermeiden können, wie sich dies aus nachstehender Anmerkung ergibt.

Anmerkung: So kann eine betriebsratslose Zeit vermieden werden

In den Rechtsprechungsdatenbanken finden sich nicht gerade viele Entscheidungen, die über den Ausgang von rechtskräftigen Wahlanfechtungsverfahren berichten. Dies ist durchaus verständlich, da es wenige Fälle gibt, bei denen Verfahren im Sinne der Wahlanfechtenden rechtskräftig wurden. Dies hätte auch in der hier zur Diskussion stehenden Sache nicht der Fall sein müssen.

Dass es sich bei der vom Arbeitsgericht Frankfurt/Oder entschiedenen Sache um einen „besonderen“ Fall handelt, wird schon dadurch deutlich, dass dieser in dem Rechtsportal Juris aufzufinden ist, wo der Autor ihn zufällig gefunden hat.

Besonders ist der Fall aus Sicht des Autors deshalb, da es wohl wenige Fälle geben dürfte, die ein solches Ergebnis zeitigten wie der durch das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder entschiedene, der dann vor dem LAG Berlin/Brandenburg ein schwer verständliches rechtskräftiges Ende gefunden hat, nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerde ohne Not zurücknahm und hierdurch eine betriebsratslose Zeit anstand. 

Wenn man sich mit der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses auseinandersetzt, so ist klar zu erkennen, dass der Wahlvorstand gegen die ihm obliegende Neutralitätspflicht verstoßen hat. In einem solchen Fall macht es zwar Sinn, Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts einzulegen um während der Dauer des Beschwerdeverfahrens Neuwahlen durchzuführen. Da Neuwahlen, wenn diese zügig durchgeführt werden, vor einer Entscheidung des LAG in der Beschwerdesache stattfinden, hat sich das Anfechtungsverfahren erledigt und die erstinstanzliche Entscheidung ist unbeachtlich.

Wenn man das Beschwerdeverfahren bis zum Kammertermin treibt und das LAG zu erkennen  gibt, dass es auch davon ausgeht, dass die Betriebsratswahl unwirksam ist, dann ist es wenig ratsam die Beschwerde zurück zu nehmen, da im Falle der Rücknahme der Beschwerde der erstinstanzliche Beschluss in Rechtskraft erwächst und die Arbeitnehmer von „Stund an“, bis zu einer (etwaigen) Neuwahl, betriebsratslos sind. Während dieser Zeit ist es dem Arbeitgeber möglich grundsätzlich mitbestimmungspflichtige Entscheidungen ohne die Vertretung der Arbeitnehmer durchzuführen. 

Um eine solche Situation gar nicht erst eintreten zu lassen, sollte man, wenn man sich schon im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens „vergaloppiert“ hat, die Beschwerde nicht zurücknehmen, sondern das LAG entscheiden lassen. Wenn das LAG die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, kann man innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim Bundesarbeitsgericht (BAG) einlegen (§ 92a ArbGG). Diese ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses zu begründen  

Da die Einlegung der NZB aufschiebende Wirkung hat (§ 90 (3) ArbGG, ist es dem Betriebsrat unschwer möglich, zurück zu treten und während des anhängigen NZB-Verfahrens Betriebsratswahlen einzuleiten und durchzuführen. Eine betriebsratslose Zeit tritt bei dieser Vorgehensweise nicht ein.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Betriebsrat durch eine der Anfechtung seiner Wahl stattgebenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht  mehr beschwert, wenn er nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zurücktritt und während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ein neuer Betriebsrat gewählt wird. Tritt der Betriebsrat, dessen Wahl beim Landesarbeitsgericht erfolgreich angefochten wurde, während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zurück und wird ein neuer Betriebsrat gewählt, entfällt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses das Rechtsschutzbedürfnis für die weitere Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde (BAG-Beschluss vom 15.2.2012 - 7 ABN 74/11).

Warum der Betriebsrat, obwohl hierzu keine Not bestand, in der Kammerverhandlung vor dem LAG Berlin/Brandenburg die Beschwerde zurücknahm, hiermit den erstinstanzlichen Beschluss rechtskräftig werden ließ, sich selbst aus dem Amt katapultierte und eine betriebsratslose Zeit hinterließ, vermag wohl nur dieser selbst, oder dessen rechtliche Vertretung, zu beantworten. 

Dem Autor jedenfalls, der seit über 30 Jahren ausschließlich Arbeitnehmer und Betriebsräte vor den Arbeitsgerichten vertritt, fällt trotz intensiver Überlegungen kein vernünftiger Grund dafür ein, warum man im Falle einer offenkundig unwirksamen Wahl eine betriebsratslose Zeit in Kauf nimmt, obwohl der Gesetzgeber den Verfahrensbevollmächtigten von Betriebsräten Mittel und Wege an die Hand gegeben hat, die es auch im Falle einer „verkorksten“ Betriebsratswahl ermöglichen, keine betriebsratslose Zeit entstehen zu lassen.

Download:

Beschluss Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 15.2.2012 - Az: 7 ABN 74/11

 

§§ 90, 92a Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG im Praxistip 

Rechtliche Grundlagen

§§ 90, 92a Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) geändert worden ist

§ 90 ArbGG Verfahren

(1) Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung werden den Beteiligten zur Äußerung zugestellt. Die Äußerung erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Beschwerdegericht oder durch Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts, das den angefochtenen Beschluß erlassen hat.
(2) Für das Verfahren sind die §§ 83 und 83a entsprechend anzuwenden.
(3) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet kein Rechtsmittel statt.

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§ 92a ArbGG Nichtzulassungsbeschwerde

Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. § 72a Abs. 2 bis 7 ist entsprechend anzuwenden.