"Flüchtlinge und Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“ Mit diesem Argument versuchen einige Parteien, Wähler und Mitglieder zu werben. Wie schwer es jedoch tatsächlich für Flüchtlinge und Ausländer ist, eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu erlangen, ist allgemein viel weniger bekannt. Eine Aufklärung der Bevölkerung über die geringen Chancen von Flüchtlingen, wenigstens eine Perspektive zu gewinnen und einen wenn auch unsicheren Arbeitsplatz zu besetzen und damit den eigenen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu sichern, unterbleibt. Dabei ist der Zugang für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt anfangs ganz verwehrt und im Weiteren an die Aufenthaltsdauer geknüpft.

Flüchtlingsproblematik – kein neues Phänomen

Das große Leid der Flüchtlinge, das seit einigen Monaten nunmehr im größeren Kreis diskutiert wird, beschäftigt eigentlich seit Jahrzehnten Beratungsstellen, Institutionen, Juristen etc., die sich mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen. An Aktualität hat das Thema plötzlich gewonnen, da die BRD als Anreiseland Ziel der großen Flüchtlingsströme aus Syrien geworden ist. Dabei war die BRD aufgrund der Verankerung des Asylrechts im Grundgesetz immer schon ein beliebtes Ziel von Flüchtlingen und erlebte einige Flüchtlingsströme in der Vergangenheit. Die Frage nach den Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt wurde damals nicht so öffentlich debattiert. Nichtdestotrotz ist die vorbildliche Haltung sowie der Umgang der bundesrepublikanischen Regierung und der sie unterstützenden Parteien mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik positiv zu würdigen. 

Arbeitserlaubnis erforderlich

Trotz Erleichterungen in den letzten Jahren ist Flüchtlingen weiterhin kein sofortiger Zugang zum Arbeitsmarkt möglich. Für Flüchtlinge besteht nach Einreise und Asylantragstellung eine Wartefrist von 3 Monaten. Nach dieser Wartezeit dürfen sie bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis stellen. Der Antrag kann jedoch erst gestellt werden, wenn bereits eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit gefunden wurde. Ein Flüchtling muss sich also zunächst um ein Arbeitsplatzangebot bemühen und anschließend für diesen konkreten Arbeitsplatz die Erlaubnis beantragen. 

Geringe Unterstützung durch Arbeitgeber 

Wenige Arbeitgeber sind bereit, dem betroffenen Flüchtling bei der Erlangung der Arbeitserlaubnis behilflich zu sein. Sie müssen als potenzielle zukünftige Arbeitgeber im Vorfeld eine „Arbeitsbescheinigung“ erteilen und anschließend das Verwaltungsverfahren abwarten, das Wochen und sogar Monate andauern kann. Ihre Informationen über den konkreten Arbeitsplatz sind aber wichtig für weitere Prüfungen durch die Ausländerbehörde. 

Fehlende Sprachkurse

Auch in der Zukunft wird es sehr schwer sein, ohne ausreichende Sprachkenntnisse einen Arbeitsplatz zu finden. Nach wie vor dürfen Flüchtlinge nach der Einreise und auch Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung nicht an Integrationskursen teilnehmen. Sie müssten Deutschkurse aus eigenen Mittel finanzieren, sprich von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Sätze sind viel niedriger als das Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Vielerorts werden zunehmend Sprachkurse angeboten, jedoch noch nicht in ausreichender Zahl. 

Keine freie Wahl des Wohnsitzes

Zudem besteht für jeden Flüchtling eine Wohnsitzauflage. Personen, die öffentliche Leistungen beziehen, dürfen ihren Wohnsitz nicht frei auswählen. Grundsätzlich steht die Wohnsitzauflage einer Arbeitsaufnahme nicht entgegen. Falls mit der Arbeitsaufnahme jedoch auch ein Wohnsitzwechsel erfolgen muss, muss der Flüchtling neben dem Antrag auf Erteilung der Arbeitserlaubnis auch einen weiteren Antrag auf Löschung der Wohnsitzauflage stellen. 

Einheimische Arbeitssuchende haben Vorrang

Die zuständige Ausländerbehörde ist weiterhin nach Antragstellung verpflichtet, bei der zuständigen Agentur für Arbeit um Zustimmung zur Arbeitserlaubnis anzufragen. Die angerufene Agentur für Arbeit muss eine sog. Vorrangprüfung und eine Prüfung der Beschäftigungsbedingungen durchführen. Bei der Vorrangprüfung ist zu klären, ob die Stelle mit einer arbeitssuchend gemeldeten Person besetzt werden kann, die bereits eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Prüfung beginnt bei den potenziellen Arbeitsuchenden mit deutscher Staatsbürgerschaft und geht bis zu Flüchtlingen mit uneingeschränkter Arbeitserlaubnis. Dies sind Flüchtlinge, die sich seit mind. 15 Monaten in der BRD aufhalten, somit allein wegen Zeitablaufs nicht mehr der Vorrangprüfung unterliegen. Weiter prüft die Agentur für Arbeit die Arbeitszeiten und den Verdienst. Diese Prüfung soll gleichwertige Arbeitsmarktbedingungen gewährleisten. Erst nach vierjährigem Aufenthalt können die Betroffenen jeder Beschäftigung ohne Zustimmung der Arbeitsagentur nachgehen. 

Praktika und Berufsausbildung

Eine Arbeitserlaubnis, aber keine Zustimmung der Arbeitsagentur ist erforderlich bei Praktika, einer Berufsausbildung, einem Freiwilligendienst und bei Arbeitsaufnahme von Hochqualifizierten, deren Jahresverdienst mindestens 47.600,00 EUR betragen muss. 

Ausländerbehörde kann Beschäftigung verbieten

Die Ausländerbehörde hat in bestimmten Fällen die Möglichkeit, den Arbeitsmarktzugang von Anfang an vollständig zu verbieten. Dies ist möglich, wenn die Einreise zum Zwecke des Sozialhilfebezugs erfolgt ist, oder die Abschiebung wegen in der Person des Flüchtlings liegenden Gründen unmöglich ist. 

Verbot verstößt gegen Menschenrechte

Das Beschäftigungsverbot widerspricht zum einen als für die Betroffenen gravierende Maßnahme gegen internationale Menschenrechtsabkommen. Das Recht auf Arbeit wird eingeschränkt, obwohl die Bundesrepublik sich auf internationaler Ebene verpflichtet hat, das Recht jedes einzelnen anzuerkennen, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, und gleichzeitig geeignete Schritte zum Schutz dieses Rechts zu unternehmen. Zum anderen stellt sich die Frage, an welchen Kriterien, Anhaltspunkten die Ausländerbehörden den Sozialhilfebezug als Einreisezweck fest machen will bzw. wann die Abschiebung wegen in der Person des Flüchtlings liegenden Gründen unmöglich ist. So liegt derzeit ein Gesetzentwurf vor, der die Anwendung des ersten Falles massiv ausweiten will. Der zweite Fall kommt in der Praxis recht häufig vor. Die Abwägung zwischen gravierenden und leichten Abschiebungshindernissen und das Verschulden des Betroffenen gelingen den Ausländerbehörden nicht immer. Die Verwaltungsverfahren dauern lange und führen meist dazu, dass der potenzielle Arbeitgeber den freien Arbeitsplatz besetzt. Ein Warten auf das Ende des Verwaltungsverfahrens ist ihm häufig nicht zuzumuten. 

Ausländische Frauen sind besonders benachteiligt

Der Arbeitsmarktzugang ist für Flüchtlingsfrauen besonders schwer. Unter ihnen sind zahlreiche Frauen, die in ihrem Herkunftsland langjährige qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt haben. Sie erleben hier eine Entwertung ihrer beruflichen Fachkenntnisse und müssen bei Null anfangen. Insbesondere Flüchtlingsfrauen erfahren auch nach wie vor eine ablehnende Haltung in der Gesellschaft. 

Arbeitsmarktzugang erleichtern

Neben den Erleichterungen, die es in den letzten Jahren gegeben hat (Arbeitsverbot von einem Jahr auf 3 Monate verkürzt, Residenzpflicht auf 3 Monate verkürzt und Wohnsitzauflage ersetzt, Vorrangprüfung von 4 Jahren auf 15 Monate usw.) werden weitere Veränderungen diskutiert, unter anderem werden auch weitere Lockerungen thematisiert. Veränderungen müssen jedoch sehr sensibel durchdacht und mit großer Vorsicht eingeführt werden. Was auf den ersten Blick wie eine Verbesserung der jetzigen Situation aussieht, kann sehr leicht große Gefahren in sich bergen. 

Sprachliche Förderung von Anfang an

Bei allen Veränderungen muss das wichtigste Ziel die sprachliche Förderung durch entsprechende Kurse sein, damit bereits kurze Zeit nach der Einreise Grundkenntnisse in Deutsch vermittelt werden können. Die Wohnsitzauflage sollte bei der Erteilung der Arbeitsgenehmigung nicht problematisiert werden und mit der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung entfallen. 

Keine Vorrangprüfung

Aufgrund der sog. Vorrangprüfung müssen potentiell interessierte Arbeitgeber u.a. beweisen, dass sie die „freien“ Plätze nicht anderweitig besetzen können. Das bedeutet, dass die Stelle mit deutschen Staatsangehörigen, EU-Bürgern, Personen mit gesichertem Aufenthaltsstatus, bereits anerkannten Asylbewerbern oder Flüchtlingen mit internationalem Schutzstatus – und zwar in dieser Reihenfolge! - nicht besetzt werden konnte. Auch können die Arbeitsagenturen ihnen Vorschläge unterbreiten. Diese Prüfung führt somit auch dazu, dass das Verfahren sich in die Länge zieht und hat somit in doppelter Hinsicht eine Art abschreckende Wirkung auf potenzielle Arbeitgeber. Sie ist entgegen der Ansicht vieler meines Erachtens daher eine überflüssige Hürde, die ersatzlos wegfallen müsste. Denn Flüchtlinge haben bereits aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse, aufgrund der allgemein verbreiteten Vorurteile gegen Menschen mit Migrationshintergrund und/oder aufgrund von Hemmschwellen in der Mehrheitsgesellschaft erhebliche Nachteile zu erleiden, z.B. wegen der Hautfarbe oder der Religion, die ihnen ohnehin schon den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. 

Lohndumping verhindern

Flüchtlingen, deren Zahl Tag für Tag zunimmt, müssen sich einerseits neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich bieten bzw. müssen Hürden zum Zugang auf den Arbeitsmarkt beseitigt werden. Gleichzeitig benötigen die Flüchtlinge, die das schwächste Glied der Kette bilden, einen besonderen Schutz vor weitergehender Ausbeutung als billige Arbeitskräfte. Deshalb ist es richtig, dass Arbeitsagenturen Beschäftigungsbedingungen prüfen. Schlechte Arbeitsbedingungen, Lohndumping und Ausbeutung sind für viele Flüchtlinge bereits Realität. Sie können nur mit der Prüfung durch die Arbeitsagenturen verringert oder sogar verhindert werden. 

Berufsqualifikation von Flüchtlingen anerkennen

Die in der BRD Zuflucht suchenden Flüchtlinge sind nicht immer ungelernt. Sie werden aber leicht als ungelernte Arbeitskräfte eingestuft, da die mitgebrachten Qualifikationen und beruflichen Kenntnisse nicht oder sehr schwer anerkannt werden. Das fehlende Wissen um diese Qualifikationen führt leicht zur Degradierung. Grund ist die Fixierung des deutschen Arbeitsmarktes auf formal nachweisbare Qualifikationen. Eine vergleichende Übertragung der beruflichen Qualifikationen ist bisher blockiert. An dieser Stelle sind die Kammern (Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern) gefordert für eine erleichterte Anerkennung zu sorgen. 

Migrations-Points einrichten

Zur Lösung der angerissenen Problemfelder ist die Einrichtung von z.B. Migrations-Points bei den Arbeitsagenturen und insbesondere bei den Jobcentern unausweichlich. Sie sollten zugleich als Beschwerdestelle dienen. An dieser Stelle wäre eine Investition in besonders geschultes Fachpersonal notwendig. 

Es ist dringend erforderlich Erleichterungen für den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt zu schaffen. Die hierzu erforderlichen notwendigen gesetzlichen Regelungen sind zeitnah umzusetzen. 

Denn: Integration kann nicht eingefordert werden, solange sie nicht ermöglicht wird!